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Voellig durchgeknallt

Voellig durchgeknallt

Titel: Voellig durchgeknallt
Autoren: Ally Kennen
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komisch geredet. Juby meinte, er selber war damals ein arger Rüpel, er konnte den Jungen einfach nicht in Ruhe lassen, auch nicht, als er gemerkt hat, dass Darling echt drunter gelitten hat.
    Mehr will mir Lexi eigentlich nicht erzählen, aber ich lasse nicht locker.
    Juby und seine Bande (zu der auch mein Dad gehört hat) haben Lenny jeden Tag nach der Schule aufgelauert. Sie haben ihm die Klamotten weggenommen, sie haben ihn verprügelt, sie haben ihn beschimpft und beleidigt. Sie |344| haben jeden unmöglich gemacht, der nett zu ihm sein wollte. Dann haben sie angefangen, ihn auch in der Schule fertigzumachen, in der Mittagspause, in den Pausen zwischen den Stunden, jedes Mal, wenn sie ihn zu fassen kriegten. Er war sozusagen ihr Zeitvertreib. So ging es zwei Jahre lang. Und Lenny wurde immer verschlossener, machte kaum noch den Mund auf und ging seinen Mitschülern aus dem Weg. Dann meint Lexi, ihr Vater hätte erzählt, dass er Lenny irgendwas echt Schlimmes angetan hat, worüber er nicht reden will. Jedenfalls wurde Lenny eines Tages halb ertrunken aus dem Kanal gezogen und anschließend hat er sich nie mehr an der Schule blicken lassen.
    Danach hat niemand mehr an Lenny Darling gedacht.
    Jahre später wurde er für schuldig befunden, einen Fünfzehnjährigen ertränkt zu haben, und landete im Todestrakt. Dann kommt so ein Blödmann wie ich, schreibt ihm, findet es spannend, dass er aus meiner Gegend kommt, und lässt in einem Brief die Nachnamen »Parsons« und »Juby« fallen. Lenny muss regelrecht ausgeklinkt sein.
     
    Juby hat erzählt, er war Montagabend unterwegs und hat irgendwann eine SMS gekriegt, wenn er seinen Sohn lebendig wiederhaben will, soll er zur Baustelle kommen, unbewaffnet, und er soll keinem Menschen etwas davon sagen. Da stand, wenn er die Polizei ruft, muss Devil sterben. (Als sie das erzählt, überläuft es mich eiskalt.) Aber die Bullen waren schon unterwegs. Ein Mann, der mit seinem Hund Gassi war, hatte auf dem Kran Lichter gesehen und Lexis Hilferufe gehört.
    |345| »So ganz kapier ich das noch nicht«, sage ich. »Wozu hat er sich dann die Mühe gemacht und Devil entführt? Warum ist er nicht einfach zu euch nach Hause gekommen, wenn er euern Dad umlegen wollte?«
    »Das war ihm zu riskant. Man kann doch bei uns in der Siedlung nicht mal furzen, ohne dass es jeder mitkriegt. Die Baustelle ist supergeeignet, um jemanden zu beseitigen. Außerdem meinte Bullen-Polly, dass Lenny eigentlich gar niemand umbringen wollte, jedenfalls zuerst nicht. Aber dann hat er Devil und Jamie beobachtet, und das war der Auslöser. Er ist voll ausgerastet. Als er Devil auf den Kran gelockt hatte, wusste er nicht mehr, was er mit ihm anfangen soll. Er hatte Dad die SMS schon viel früher geschrieben und wartete drauf, dass er auf die Baustelle kommt. Da wollte er ihn abknallen. Aber Dad hat sein Handy erst später angemacht. Da waren wir schon aufgetaucht und Lenny hat Panik gekriegt.«
    Wir kommen an der Baustelle vorbei. Hinter dem Bauzaun scheppern und dröhnen die Maschinen, die Arbeiten sind wieder in vollem Gange. Der Kran schwenkt eine riesige Betonröhre durch die Luft. Mit zusammengekniffenen Augen kann ich den Kranführer winzig klein in der Kabine erkennen. Ich sehe zu, wie der Kran die Röhre runterlässt, dann verschwindet sie hinterm Zaun.
    »Aber warum haben die Bullen keinen Verdacht geschöpft, als sie ihn verhört haben?«, frage ich.
    »Sie haben ihn nicht verhört. Das hat er erfunden. Wenn du vernünftig mit Bullen-Polly reden würdest, Chas, würde sie dir auch das eine oder andere erzählen.«
    |346| »Ist ja auch egal«, sage ich. Ich bin noch nicht so weit, mit den Bullen nett zu plaudern. Aber irgendwann in den nächsten Wochen werde ich das wohl müssen.
    »Vielen Leuten hat es gar nicht gepasst, dass Lenny freigekommen ist«, redet Lexi weiter. »Aber man musste ihn rauslassen, es wäre gesetzeswidrig gewesen, ihn länger einzusperren. Wegen der neuen Beweislage wurde seine Strafe verkürzt und er hatte ja schon etliche Jährchen abgesessen. Trotzdem, es gab haufenweise Briefe von Psychiatern und so, die sich dringend dafür ausgesprochen haben, dass er hinter Gittern bleibt. Das ging aber nun mal nicht, darum haben sie ihn so schnell wie möglich hierher ausgeflogen, um ihn loszuwerden.«
    Wir gehen durch Wohnstraßen, dann durch den hinteren Teil vom Park und zur Kirche. Der Friedhof ist menschenleer. Ich gehe Lexi durchs hohe Gras und zwischen den Grabsteinen hindurch
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