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Viviane Élisabeth Fauville

Viviane Élisabeth Fauville

Titel: Viviane Élisabeth Fauville
Autoren: Julia Deck
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Türöffnung in Gang zu setzen und die freie Luft einzuatmen.
    Eine Staubwolke steigt in Ihr Hirn. Reizt Ihre Schweißdrüsen, lässt Ihre Finger zittern. Am Rande des Schwindelgefühls klammern Sie sich an dem Kind fest, um nicht zu fallen. Das Baby erfüllt seinen Dienst. Aufrecht auf Ihren Beinen, treten Sie den Rückzug an, und fünf Minuten später sind Sie in Ihrer Zelle zurück und sitzen brav auf dem Internatsschülerbett. Sie warten auf das Mittagessen – heute ein Geflügelschnitzel mit Kohlrabipüree.

19
    Am 5. Januar spricht Ihr Mann vor. Julien Hermant, tatsächlich, das ist sein Name, er steht im Flur, die Krankenschwester fragt, ob sie ihn eintreten lassen kann, ob Sie das nicht aufregen wird (die Frage stammt von ihm, ich gebe sie bloß weiter). Sie erklären sich bereit, ihn zu empfangen, und ohne auf seine verlegenen Begrüßungsworte einzugehen, wollen Sie sofort von ihm wissen, was es Neues von Pascal Planche gibt.
    Eingelocht, sie haben ihn eingelocht, staunt Julien, der Zeitschriften mitgebracht hat und schüchtern um die Erlaubnis bittet, das Kind auf den Arm nehmen zu dürfen. Weißt du, fährt er fort, nachdem Sie es erlaubt haben, ich habe geglaubt, es wäre eine gute Idee, dich ein bisschen davon zu entlasten. Aber ich habe schnell verstanden, dass man in diesem Alter seine Mutter braucht, und ich habe es vorgezogen, sie dir wiederzugeben, zumal die Ärzte sagten, es gehe besser. Und es geht doch besser, oder? schließt er hoffnungsvoll.
    Danach kommt Gabrielle Sie besuchen. Sie betrachtet Sie ohne besondere Feindseligkeit, setzt sich an den äußersten Rand eines Stuhles und schaut auf Sie herab wie eine Statue, die keinen ihr angemessenen Sockel gefunden hätte. Sie murmeln etwas, was eine Entschuldigung sein soll, aber von der Witwe mit einer Geste weggewischt wird. Sie ist gekommen, um ein Fazit zu ziehen. Ihnen ein bisschen aus ihrem Leben zu erzählen, wenn es Sie nun mal so interessiert.
    Gabrielle hat entdeckt, dass sie reich ist. Keine Millionärin, gewiss, aber reich genug, um die Dinge erst einmal auf sich zukommen zu lassen. Sie hat ihre Koffer gepackt, alles in die Rue du Pot-de-Fer zurückgebracht, die miserablen Aquarelle des Arztes weggeworfen und sich in der Wohnung eingerichtet. Angèles Niederkunft ist gut verlaufen. Allerdings ist es ein Junge, obwohl der Gynäkologe das Gegenteil geschworen hätte. Deshalb hatte die Mutter keinen Vornamen parat, aber wir haben uns schließlich auf Achilles geeinigt, erläutert die Witwe. Ach ja, bevor ich es vergesse, ich habe auch mit Ihrem Mann zu Abend gegessen, fügt sie hinzu. Schön ist er schon. Aber ganz schön verklemmt! Gut, wie viel Uhr ist es, zwanzig nach zwölf, ich muss mich sputen. Bis bald einmal, Viviane.
    Dann bekommen Sie keine Besuche mehr. Stattdessen unternehmen Sie einige Spaziergänge. Sie erkunden das Krankenhaus, den großen Innenhof, umrahmt von drei Stockwerken mit Rundbögen, von denen das letzte eine Aussicht auf den Vorplatz von Notre-Dame bietet. Auf dem Dach der Kathedrale begutachten Touristen in Käfigen das Panorama. Manchmal machen sie Zeichen, und Sie winken zurück.
    Eines Morgens gehen Sie aus Neugier bis zu der Kapelle, über den Durchgang, der die beiden oberen Galerien miteinander verbindet. Das ist sehr enttäuschend, ganz und gar nicht auf dem Niveau des erstrangigen Etablissements, das Sie beherbergt. Die Kapelle besteht aus einem winzigen, mit Furnierholz verkleideten Saal aus den 70er Jahren mit zwei Reihen zusammengewürfelter Stühle, einem kahlen Altar am Fuße eines Glasfensters plumper industrieller Fabrikation. Tatsächlich fühlen Sie sich an den Pariser Sitz der Kommunistischen Partei erinnert. Nicht, dass Sie eine revolutionäre Vergangenheit hätten, aber Julien liebte es, Sie unter die Oscar-Niemeyer-Kuppel zu ziehen und ausführlich auf deren architektonische Schönheiten einzugehen. Sie bleiben nicht allzu lange in der Kapelle.
    Am 10. Januar erscheint der Chefarzt, umgeben von seinem Hofstaat. Er untersucht Sie zwei Minuten lang, sagt, an niemand Bestimmtes gerichtet, Alles in Ordnung, Sie können sie zur Krankenschwester bringen. Diese drängt Sie, Ihre Sachen zusammenzusuchen. Sie sammeln die Gegenstände ein, die sich im Laufe der Wochen in Ihrer Zelle angehäuft haben, stopfen sie in große Plastiktüten und folgen ihr, das Baby fest im Arm,
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