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Viviane Élisabeth Fauville

Viviane Élisabeth Fauville

Titel: Viviane Élisabeth Fauville
Autoren: Julia Deck
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durch den Flur und in den Aufzug, dann durch die Galerie im Erdgeschoss. Die Krankenschwester begleitet Sie bis zum Ausgang, betätigt die Türöffnung und lässt Sie mit Ihren Tüten auf dem Gehsteig stehen, vor einem Taxi, einem anthrazitfarbenen Peugeot, in dem Ihre Mutter wartet und eine Zigarette raucht.

20
    Es ist eine mit Stahlbeton gewappnete Stadt. Es könnte Saint-Nazaire, Cherbourg, Le Havre sein. Reihen von Wohnhäusern, die nach der Befreiung eilig hochgezogen wurden, stehen als Schutzmauer da gegen das Wasser, jede Spur der Bombardierung wurde sorgfältig entfernt. Am Fuße dieser Hausfassaden schlängelt sich der Asphalt der Landstraße dahin, die Anlegebrücken des Freizeithafens, der Kieselstrand. Das Meer und der niedrige Himmel rollen mit der Geschwindigkeit einer Yacht aufeinander zu, ganz hinten fällt die blasse Sonne ins Wasser.
    Sie stehen an das Geländer einer Terrasse im achten Stock gelehnt. Alle Fenster der Wohnung öffnen sich nach Westen, auf das Wasser hinaus, das in der Ferne von Fähren, Tankern, Containerschiffen überquert wird. Im Süden sind die Kräne des Industriehafens zu erkennen, die sich über den leeren Kai beugen wie resignierte Flugsaurier. Dann das senkrechte Labyrinth einer Zementfabrik, die Kuppeln der Raffinerie.
    Die Wohnung beschränkt sich auf drei recht gut angeordnete Zimmer, die Schlafzimmer auf beiden Seiten des Wohnraums, und ein Badezimmer am Ende des Flurs. Die Einrichtung ist schlicht, aber die Kartons sind ausgeräumt. Alle Ihre Sachen sind in den Schränken verstaut, auf den frisch angebrachten Regalen. Viel Hin und Her zwischen Wohnung und Baumärkten war erforderlich, um dieses Ergebnis zu erzielen. Sie haben sich um nichts gekümmert. Die Kataloge wurden Ihnen gebracht, Sie haben die Modelle angekreuzt, haben die Feinheiten den Spezialisten überlassen. Ihr Scheckheft herausgeholt.
    Sie sind also aus dem Krankenhaus Hôtel-Dieu entlassen worden, und Ihre Mutter hat Sie nach Hause gebracht. In den darauffolgenden Wochen haben Sie viel geschlafen, manchmal haben Sie ferngesehen. Nachmittags laufen da mitunter luftige Sachen mit exotischem Dekor. Chirurgen betrügen ihre Gattin mit von Flugzeugpiloten schwangeren Krankenschwestern, die Ehemänner sterben mittels Eispickeln, und die Witwen fahren in Cabrios vor azurfarbenem Hintergrund. Allesamt wiegen sie Sie wie die Erinnerung an einen alten Scherz.
    Im März waren Sie schon weniger müde, es musste an die Zukunft gedacht werden. Nun war es der Firma Bétons Biron, wie soll man sagen, nicht besonders eilig damit, Sie wiederzusehen. Jean-Paul hat nicht frei heraus gesagt Nein, Viviane, ich würde es vorziehen, wenn Sie Ihre Stelle nicht wieder antreten würden, noch hat er gesagt Ich würde mir wünschen, dass Héloïse für Sie einspringt. Er hat gesagt Wissen Sie, ich habe Kontakte – Partner, Unternehmer, kommunale Verbände –, und hinzugefügt Kennen Sie die Normandie? Stellen Sie sich vor, es wird dort eine Assistentin für die regionale Pressestelle gesucht, da habe ich gedacht Sieh an, wär das nicht was für Sie. Würden es Ihnen nicht gefallen, ein bisschen Luft zu schnappen?
    Sie sind an der Gare Saint-Lazare in den Zug gestiegen, haben der Form halber ein Einstellungsgespräch geführt. Vierzehn Tage später war alles geregelt – die Höhe des Gehalts, die Kündigung in der Rue Cail, die Mietwohnung an der Uferpromenade, was Ihre einzige Forderung gewesen war. Sie haben am 15. April Ihre neue Stelle angetreten. Eine Arbeit ist es, nicht mehr und nicht weniger. Sie begeben sich jeden Tag ins Büro, tun, was man von Ihnen verlangt, und um 18 Uhr gehen Sie wieder nach Hause.
    Die örtliche Kinderfrau kann in Ihren Augen der vorigen nicht das Wasser reichen. Sie redet gern, stellt zu viele Fragen, wartet nie eine Antwort ab, bevor sie weiterfragt. Das ist der Vorteil. Sie lassen sie schwatzen inmitten der kreischenden Kinder, während Ihres so brav ist, dass es Ihnen manchmal Angst macht.
    Den Schaukelstuhl haben Sie nicht mitgenommen. Darin sitzen Sie also nicht, beim Lesen der Zeitungsausschnitte, die Sie während Ihres Aufenthalts im Hôtel-Dieu-Krankenhaus gesammelt haben, noch wenn Sie stricken und dabei den Faden der Ereignisse wieder aufrollen. Sie tun das alles in Ihrem Bett, bevor Sie das Strickzeug niederlegen, um Ihre Hände auf andere entspannende Weise zu
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