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Vittorio

Vittorio

Titel: Vittorio
Autoren: Anne Rice
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Segen.
    Aber glücklich bin ich nicht. Glauben Sie das nur nicht.
    Ich würde kein Buch schreiben, um Ihnen zu erzählen, dass ein Vampir glücklich sei.
    Ich habe nicht nur Hirn, sondern auch Herz, und um mich wabert ein ätherisches Bild meines Selbst, das ganz eindeutig von einer höheren Macht geschaffen ist, und gänzlich eingesponnen in dieses unkörperliche Gewirk des ätherischen Bildes ist das, was die Menschen Seele nennen. Ich habe eine Seele. Und nicht einmal ein See von Blut kann diese lebendige Seele ertränken und mich als lebenden Toten zurücklassen.
    Okay. No problem. Yes, yes. Thank you! - wie jedermann in unserer heutigen Welt auf Englisch sagen kann. Wir sind soweit. Es kann losgehen.
    Nur möchte ich hier noch ein Zitat einstreuen, von einem unbedeutenden, aber wunderbaren Schriftsteller: Sheri-dan Le Fanu. Es ist eine Passage, die eine von Geistern heimgesuchte Person in höchster Angst und Bedrängnis in einer seiner ausgezeichneten Gespenstergeschichten spricht. Der in Dublin geborene Autor starb 1873, aber beachten Sie nur, wie frisch seine Sprache ist und wie Schrecken erregend der Ausdruck des Kapitäns Barton in der Kurzgeschichte »Der Vertraute«:

    Wie unsicher ich mir auch der Echtheit des Phäno-mens sein mag, das wir üblicherweise als Offenbarung bezeichnen, von einer Tatsache bin ich zutiefst und furchtbar überzeugt, nämlich, dass es jenseits der rea-len eine spirituelle Welt gibt, eine Ordnung, deren Ab-läufe vor uns normalerweise gnädig verborgen sind -
    eine Ordnung, die uns offenbart werden kann - und sich tatsächlich manchmal bruchstückhaft und erschreckend offenbart. Ich bin mir sicher - ich weiß ..., dass es einen Gott gibt, einen fürchterlichen Gott, und dass der Schuld die Strafe auf dem Fuße folgt, auf sehr mysteriöse und erstaunliche Art - durch sehr unerklärliche und schreckliche Mittel; es gibt eine überirdische Ordnung - einen erhabenen Gott, und wie gründlich ich davon überzeugt wurde! - Eine ordnende Kraft, die bösartig und nicht zu besänftigen und all-mächtig ist, von der ich verfolgt werde und wurde, und unter der ich die Qualen der Verdammten litt!

    Was halten Sie davon?
    Ich fühle mich auf jeden Fall zutiefst getroffen. Ich glaube nicht, dass ich willens bin, von Gott als »fürchterlich«
    oder von unserer Ordnung als »bösartig« zu sprechen, aber diese Worte, die zwar als fiktive Erzählung unter heftiger Gemütsbewegung geschrieben wurden, klingen gespenstisch und unausweichlich wahr.
    Und das ist mir wichtig, weil ein schrecklicher Fluch auf mir lastet, der, denke ich, einzigartig bei einem Vampir ist. Damit meine ich, dass die anderen nicht darunter leiden. Aber ich glaube, wir alle - Menschen, Vampire, alle, die Gefühle empfinden und Tränen vergießen können -
    leiden unter einem Fluch, dem Fluch, dass wir mehr wissen, als wir ertragen können, und es gibt nichts, absolut nichts, was man der Gewalt und der Verlockung dieses Wissens entgegenstellen könnte.
    Wenn ich geendet habe, können wir noch einmal darauf zurückkommen. Schauen Sie, was Sie mit meiner Geschichte anfangen können.
    Hier ist es früher Abend. Immer noch ragt der stattliche Überrest von meines Vaters höchstem Turm kühn in den milden, sternenübersäten Himmel, so dass ich von meinem Fenster aus die mondüberglänzten Hügel und Täler der Toskana, ja, bis hin zur glitzernden See unterhalb der Steinbrüche von Carrara sehen kann. Ich rieche das blü-
    hende Grün des schroffen, unberührten Landstrichs, in dem sich wie früher schon die Irisblüten in grellem Rot und strahlendem Weiß in ihrem toskanischen, sonnen-warmen Bett ausbreiten, wo ich sie in den seidig-sanften Nächten finde.
    Und so umfangen und behütet schreibe ich, stets auf den Moment gefasst, in dem das schwache Licht des Voll-monds hinter den Wolken verschwindet und ich die be-reitstehenden Kerzen - so etwa sechs Stück - in dem dicken, grob gearbeiteten silbernen Kandelaber entzün-de, der früher auf dem Tisch meines Vaters stand, in jener Zeit, da er als Feudalherr alter Art über diesen Berg und all die dazugehörigen Dörfer waltete, im Frieden und im Krieg der treue Verbündete der großen Stadt Florenz und ihres heimlichen Herrschers; einer Zeit, in der wir reich, furchtlos, wissbegierig und wundersam zufrieden waren. Lassen Sie mich nun von dem sprechen, was nicht mehr ist.

    2

    MEIN KURZES LEBEN ALS STERBLICHER
    DIE SCHÖNHEIT DER STADT FLORENZ
    DIE PRACHT AN UNSEREM KLEINEN HOFE
    WAS
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