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Vittorio

Vittorio

Titel: Vittorio
Autoren: Anne Rice
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nicht nur Filippo Lippi stammte, sondern die auch der Ursprung der Epoche ist, die wir das Goldene Zeitalter nennen.
    Und Gold sehe ich auch, wenn ich Sie anschaue, es ist das, was ich immer sehe, wenn ich einen Menschen anschaue - ob Mann, Frau oder Kind. Immer sehe ich das flammende Gold des Himmels, das mir von Mastema offenbart wurde. Für mich sind auch Sie davon umgeben, davon eingehüllt, wie in einem Schrein darin eingeschlossen, und es tanzt flackernd um Ihren Leib, auch wenn Sie selbst es nicht sehen können, es Ihnen vielleicht sogar gleichgültig ist.
    Von meinem Turm in der Toskana schaue ich heute Nacht über das Land, und in weiter Ferne, in den tiefsten Tälern, sehe ich den goldenen Schimmer von Menschenwesen, sehe ich ihre Seelen in glühender Lebenskraft pulsieren.
    Hier haben Sie also meine Geschichte.
    Und was denken Sie nun?
    Erkennen Sie den heftigen Widerstreit? Sehen Sie die Zwickmühle, in der ich bin?
    Lassen Sie es mich so erklären:
    Erinnern Sie sich an die Szene, wie ich zusammen mit meinem Vater unterwegs war und wir über Fra' Filippo sprachen? Mein Vater hatte mich gefragt, was mich so sehr zu diesem Mönch hinzog. Ich sagte, dass mich seine inneren Kämpfe so sehr anzogen, die zwei Seelen, die in seiner Brust lebten, und dass diese zwiespältige Natur, dieser innere Konflikt, den Gesichtern in seinen Bildern den gequälten Ausdruck verlieh.
    Filippo war ein Unwetter, das auf ihn selbst niederging!
    Und das gilt auch für mich.
    Mein Vater, ein Mann von ruhigem Wesen mit einer schlichteren Gedankenwelt, lächelte darüber.
    Aber was hat das für einen Bezug zu dieser Geschichte?

    Ja, ich bin ein Vampir, wie ich Ihnen gesagt habe. Ich bin ein Geschöpf, das sich von menschlichem Leben nährt.
    Ruhig und zufrieden lebe ich in meinem Heimatland, im Schatten der heimatlichen Burg, und Ursula ist bei mir, wie stets seit fünfhundert Jahren. Und diese Zeit ist nicht zu lang für eine Liebe, die so stark ist wie die unsere.
    Wir sind Dämonen. Wir sind verdammt. Aber haben wir nicht erstaunliche Dinge gesehen und erkannt? Habe ich hier nicht Dinge zu Papier gebracht, die für Sie von Wert sind? Habe ich nicht einen Zwiespalt geschildert, wie er quälender nicht sein kann? Denn in ihm eingebettet liegt etwas glanzvoll Farbiges, so wie in Filippos Werken. Ha-be ich nicht Schmuckwerk, Verflechtungen und Gold-glanz eingearbeitet, habe ich nicht schmerzlich geblutet?
    Sie können meine Geschichte betrachten und behaupten, dass sie Ihnen nichts gibt! Aber das glaube ich Ihnen nicht.
    Und wenn ich an Filippo denke, an seinen Raub der Lucrezia und seine anderen ungestümen, sündigen Taten, wie kann ich sie getrennt von der Erhabenheit, der Herrlichkeit seiner Gemälde sehen? Wie kann man Filippos gebrochene Gelübde, seine Betrügereien, seine Streitereien von dem Glanz getrennt sehen, den er der Welt schenkte?
    Ich behaupte nicht, dass ich ein großer Maler bin, so dumm bin ich nicht. Aber ich behaupte, dass aus meinem Schmerz, aus meiner Torheit, aus meiner Leidenschaft eine Vision entspringt - eine Vision, die ich auf ewig mit mir herumtrage und die ich Ihnen hier vermitteln will.
    Es ist die Vision, dass jedes menschliche Wesen von einer Flamme, einem Geheimnis angefeuert wird, eine Vision, die ich nicht verneinen kann, nicht auslöschen, nicht einmal zur Seite schieben kann, noch könnte ich sie geringer machen, als sie ist, oder ihr entkommen.

    Andere schreiben über Zweifel und innere Dunkelheit.
    Andere schreiben über Bedeutungslosigkeit und Stille.
    Ich schreibe über das undefinierbare himmlische Gold, das auf ewig die Nacht erhellt.
    Ich schreibe über Blutdurst, der nie befriedigt wird. Ich schreibe über Erkenntnis und den Preis dafür.
    Merken Sie sich, was ich sage: Das Licht scheint auch in Ihnen. Ich sehe es. Ich sehe es in jedem Einzelnen Ihrer Mitmenschen - immerdar. Ich sehe es, wenn ich hungrig bin, wenn ich kämpfe, wenn ich morde. Ich sehe, wie es in meinen Armen flackert und dann erstirbt, wenn ich trinke.
    Könnten Sie sich vorstellen, was es für mich bedeutete, Sie zu töten?
    Beten Sie, dass es Sie nie einen Mord oder Raub kostet, um dieses Licht in Ihren Mitmenschen zu sehen. Gott bewahre, dass Sie diesen Preis dafür zahlen müssen. Lassen Sie statt Ihrer mich den Preis dafür zahlen.

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