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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond
Autoren: Cassie Alexander
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Schutzherrschaft des
Throns.«
    Â»Anna …« Ich wollte ihr all die
Gründe aufzählen, die mich davon abhielten, auf ihre Vampirparty zu kommen, von
denen der erste und wichtigste war, dass ich keine Lust hatte, dort der einzige
Mitternachtssnack zu sein. Doch dann sah ich ihren Gesichtsausdruck. »Oje, das
ist wohl richtig wichtig, oder?«
    Â»Ich fürchte schon.« Sie zeigte
auf etwas, das noch unbemerkt in dem Kästchen lag.
    Also legte ich den Brief
beiseite und griff nach dem schwarzen Samtbeutel am Boden der Kiste. Darin
befand sich ein schwerer Gegenstand – ich entfernte die Stoffhülle und
entdeckte eine Art Jagdmesser. Der Griff war so schwer, dass ich das Kästchen
fast fallen ließ, als ich die Waffe aus dem Beutel befreite. Die Klinge war
genauso lang wie der Griff und mit feinen Schnörkeln und Mustern verziert, die
mich an die geschwungene Schrift auf der Einladung erinnerten. Wahrscheinlich
war das Messer als Waffe praktisch nutzlos, vielleicht abgesehen von der
Spitze, die verflucht scharf zu sein schien. Vorsichtig hielt ich das Ding
hoch. »Das ist aber ein verdammt teures Partygeschenk.«
    Im Heft des Dolches war eine
kleine, bewegliche Sanduhr eingelassen, deren Füllung jedoch aus Blut bestand.
Als ich das Glas antippte, drehte es sich ein paarmal, und die rote Flüssigkeit
lief hinauf und hinunter, bis der Schwung verbraucht war und sich alles in der
unteren Kammer sammelte. Die Wände der oberen Kammer waren blutverschmiert. Wie
bei einer Blutprobe aus dem County, wenn das Reagenzröhrchen kräftig
geschüttelt worden war. »Ist das dein Blut?«, fragte ich, obwohl ich die
Antwort bereits kannte. Sie nickte. »Ich will aber kein Tageslichtagent werden,
Anna.«
    Der Mann in der Küche stieß ein
abfälliges Schnauben aus.
    Â»Deswegen habe ich dich
erwählt. Da ich zum Teil menschlich bin, muss ich einen Menschen zu der
Zeremonie mitbringen. Doch ich darf ihn nicht dazu zwingen – ich muss ihn
erwählen.« Sie schob mit einer Hand die Waffe weg und sah mich fest an. »Dieser
Dolch muss bis zu der Zeremonie intakt bleiben. Die verführerische Kraft meines
Blutes stellt eine Prüfung dar. Und ich kenne niemanden außer dir, der sie bestehen
würde.«
    Wieder wanderte mein Blick zu
Gideon. Gab man ihm eine Phiole mit Annas Blut und ließ ihn damit allein,
konnte er meiner Schätzung nach nicht mal bis dreißig zählen, ohne es
auszutrinken. Aus meiner Erfahrung als Pflegekraft für Tageslichtagenten wusste
ich, dass ihre Motive immer schändlich waren. »Welche Verpflichtungen sind
damit noch verbunden?«
    Â»Ist das geschafft, gehörst du
technisch gesehen zu meinem Hofstaat, als mein Gesandter an die Sonne.«
    Â»Das ist nicht zufällig ein
bezahlter Posten?«
    Sie lachte prustend. »Es ist
eine rein zeremonielle Funktion, und sie endet nach einer Nacht.« In ihrem
Blick lag jetzt fast so etwas wie Zärtlichkeit. »Ich bitte dich wirklich nicht
gern darum, aber ich habe sonst niemanden, den ich fragen könnte.«
    Ich fragte mich, was dieses
Bekenntnis wohl in Gideon auslöste. Vorsichtig schob ich den Dolch zurück in
den Samtbeutel, legte ihn in das Kästchen und starrte dann unschlüssig auf den
weichen Stoff. Der Mann in meiner Küche stieß einen Laut der Frustration aus.
Wie alle Tageslichtagenten hungerte er – nämlich nach der Macht, die ihren
Meistern innewohnte. Sie waren allesamt angekettete Hunde.
    Â»Ich weiß, wie euer Geschäft
läuft. Damit will ich nichts zu tun haben.« Glücksspiel, Drogenhandel,
Schutzgelder, so ziemlich alle illegalen Einnahmen landeten irgendwann in den
Taschen der Vampire. Sie waren wie fette Zecken, die am Hals der Menschheit
klebten. Und selbst wenn Anna ein gutes Mädchen zu sein schien, konnte ich das
nicht unterstützen. Ich wollte ihr das Kästchen zurückgeben, doch sie wies es
mit erhobener Hand zurück.
    Â»Du bist der einzige Mensch,
dem ich vertrauen kann, Edie.« Vor gar nicht langer Zeit waren wir beide fast
getötet worden, aus demselben Grund und von denselben Leuten. Sie hatte mich
gerettet. Natürlich war die ganze Geschichte etwas komplizierter.
    Unschlüssig blickte ich
zwischen ihr und dem Kästchen in meiner Hand hin und her, während sie auf meine
Entscheidung wartete. Hielt sie etwa den Atem an? Musste sie überhaupt atmen?
Sie schien besorgt zu sein,
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