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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond
Autoren: Cassie Alexander
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die Straße
überquerten.
    Als wir das Ronalds betraten, bimmelte eine
Glocke über uns, während ein bunter Türaufkleber sicherheitshalber maß, ob wir
auch schon groß genug für den Laden waren.
    Charles bestellte sich am
Tresen eine doppelte Portion Pommes, und ich zog meine Handschuhe aus, um ihm
das Geld für meine Cola light zu geben. Dabei wurde mir bewusst, dass ich
gerade zum ersten Mal außerhalb der Arbeit mit einem Kollegen unterwegs war. Es
war zwar nur die Mittagspause, aber trotzdem zählte es irgendwie. Als ich von
der Getränkenachfüllbar zurückkam, grinste ich ihn an.
    Â»Code Reißzahn«, lachte er
fröhlich. »Das hast du mir tatsächlich abgekauft.«
    Â»Ja, ja, mach dich nur über die
Neue lustig.«
    Â»Bei uns gibt es nicht so viele
Neulinge, die ich ärgern könnte.«
    Â»Wenn die Neuen nicht so oft
sterben würden – was mir übrigens vorher niemand gesagt hat –, hättest du
vielleicht öfter die Gelegenheit.« Ich folgte Charles zu einem Tisch und setzte
mich ihm gegenüber.
    Â»Hättest du uns das denn
geglaubt, wenn wir es dir gesagt hätten?«
    Ich nahm einen großen Schluck
von meiner Cola und überlegte kurz. »Wahrscheinlich nicht.«
    Â»Nur fürs Protokoll: Ich hatte
dir geraten, nicht wieder ins Zimmer dieses Typen reinzugehen.« Bedeutungsvoll
schaute er auf meine linke Hand. Auf dem Handrücken war eine halbmondförmige
Narbe zu sehen, die vom Biss eines Vampirs stammte. Sie tat inzwischen nur noch
weh, wenn es gerade kalt war. Jetzt, mitten im Winter, also ständig.
    Ich rieb über die Narbe. »Wenn
du zukünftig die Wahl hast, mich entweder ganz offen vor tödlicher Gefahr zu
warnen oder überhebliche, vage Andeutungen zu machen, entscheide dich bitte für
die erste Möglichkeit.«
    Er nickte. »Ist notiert.«
    Bei meinem alten Job war meine
größte Sorge gewesen, dass mich ein Patient mit offener Tuberkulose anhusten
könnte. Aber im County – und ganz besonders auf Station Y4 , wo Charles und ich
arbeiteten – gab es unendlich viele Möglichkeiten, etwas zu versauen und dabei
sogar getötet zu werden. Auf Y4 kümmerten wir uns um die übernatürlichen Wesen,
von denen der Rest der Menschheit nichts wusste: Formwandler in sterblichem
Zustand, die Tagesschichtdiener und lizenzierten Spender von Vampiren sowie
Gestaltwandler, die hin und wieder den Verstand verloren. Und manchmal auch
Zombies, mit denen die Schwestern gelegentlich etwas anfingen, was dann aber
übel ausging. Als ich an mein sozusagen doppelt verendetes Liebesleben dachte,
verging mir der Spaß am Small Talk.
    Charles widmete sich inzwischen
seiner zweiten Portion Pommes. Schon komisch, dass selbst das Wissen darüber,
was eine Tonne Salz und Fett mit dem menschlichen Herzen anstellen, einen nicht
davon abhält, sie zu essen. Ähnlich ging es Schwestern, die in der Onkologie
arbeiteten und trotzdem noch rauchten. Charles bemerkte, wie ich ihn beim Essen
beobachtete, und hielt mir das Körbchen mit den Pommes hin. Ich winkte ab – für
mich war es noch zu früh zum essen, ich hatte meinen Magen auf Nachtschicht
eingestellt, auch wenn ich wach war. Mein Kollege zuckte nur mit den Schultern
und fragte: »Bist du sicher, dass du nicht drüber reden willst?«
    Â»Absolut.«
    Charles sah mich prüfend an und
schob sich die letzten Pommes in den Mund. »Also gut.« Er wischte sich die
Finger an einer Serviette ab, dann schlug er seinen Mantel zurück und griff
nach den Knöpfen an seinem Hemd.
    Â»Was machst du denn da?«,
fragte ich flüsternd und sah mich verstohlen um, um herauszufinden, ob die
anderen Gäste uns beobachteten.
    Â»Ich zeige dir meine, wenn du
mir deine zeigst.« Drei Knöpfe später zog er den Stoff auseinander und legte
seinen Hals frei. »Ist jetzt sieben Jahre her. Werwolfangriff. Hat mir das
Schlüsselbein zerschmettert. Sechs Monate lang konnte ich den Arm nicht bis
über den Kopf heben.«
    Eigentlich war nichts zu
erkennen, da die ganze Kleidung, die Charles zur Seite geschoben hatte, einen
dunklen Schatten warf, aber ich glaubte ihm sofort. Selbst wenn nichts mehr zu
sehen war – es blieben immer Narben. Ich schüttelte den Kopf. »Ich werde dir
meine nicht zeigen. Aber glaub mir, es sieht aus, als hätte ein Epileptiker
einen Kaiserschnitt gemacht.«
    Charles ließ
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