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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition)
Autoren: Kristian Isringhaus
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fragte Debbie. In ihrer Stimme gesellte sich Wut zur
Angst.
    Holger blickte Herforth an, die
kaum merklich mit den Schultern zuckte. Offensichtlich hatte sie ebenso wenig
eine Erwiderung auf Debbies Einwand wie er.
    „Ich werde zu der Ehrung gehen”,
fuhr Debbie fort. Sie schien sich nun in Rage zu reden. „Und wir werden den
Mechanismus, der mich töten soll, vorher finden.”
    „Und entschärfen”, warf Holger
ein.
    „Und entschärfen”, wiederholte
Debbie, wie um sich Mut einzureden.
    Der Tod Tran Quoc Tuans hatte
gezeigt, dass ein Antizipieren der Mordart alleine unter Umständen nicht ausreichen
würde. In seinem Fall hatten sie exakt vorhergesehen, wie der Mord vonstattengehen
würde, doch helfen hatten sie dem armen Mann nicht können.
    „Na, dann an die Arbeit”, sagte
Herforth in einem offenbar ermutigend beabsichtigten, leider aber gekünstelt
klingenden Tonfall. Die Kriminologin drückte jedem von ihnen einen ganzen
Stapel an Computerausdrucken in die Hand. „Das sind die aktuellen
Ermittlungsstände zu den bisherigen Morden. Inzwischen haben wir Licht hinter einige
der zunächst als unerklärlich erscheinenden Phänomene gebracht”, sagte sie.
    „God damn it. Hat das nicht Zeit bis
morgen?” fragte Debbie. Sie klang jetzt wirklich wütend. „Gäbe es im Moment
nicht unter Umständen Wichtigeres? Zum Beispiel – lassen Sie mich überlegen –
oh, ja, der Mechanismus, den sich Somniak und…” sie stockte, „…und asshole für mich ausgedacht haben?”
    „Exakt zu diesem Zweck möchte ich
die Ermittlungsstände mit Ihnen durchgehen”, erwiderte Herforth mit
beruhigendem Tonfall. „Ich denke, es könnte hilfreich sein, wenn wir die
Methoden der Mörder verstehen.”
    „Das macht Sinn”, warf Holger ein
und hoffte, während er seine Stirn massierte, inständig, Debbie würde ihre
Lautstärke ein wenig herunter regeln. Die Kopfschmerzen waren kaum mehr zu
ertragen.
    „Okay”, sagte Debbie mit weitaus
leiserer Stimme, wenn auch immer noch erregt. „‘tschuldigung.”
    „Also dann zum ersten Mord”,
begann Herforth. „Wir haben in der Tat in einem Fahrstuhlschacht im Hotel
‚Seeadler’ einen Cockroft-Walton-Generator gefunden. Von diesem Gerät verlief
ein Starkstromkabel bis zu einem Moniereisen im Beton über der Bühne. Dieses
war – wie aus Versehen – schief in die Decke eingelassen, so dass die
Befestigung der Metallkugel über Meng Hong Kontakt mit dem Eisen hatte. Wir
sind bislang von einem Zufall ausgegangen, weil wir den Blitz nicht erklären
konnten. Ganz offenbar aber handelte es sich dabei um Absicht. Übrigens haben
wir in einem anderen Fahrstuhlschacht einen immensen Akkumulator gefunden.
Dieser muss über Jahre hinweg Strom in unauffälligen Mengen vom Hotel
abgezweigt und sich somit zu der Kapazität aufgeladen haben, die sich in einen
drei Sekunden andauernden Impuls von einer halben Million Volt umwandeln ließ.”
    „Bitte was?” Entweder es waren
seine Kopfschmerzen, oder Herforth hatte ins Chinesische gewechselt. Jedenfalls
verstand Holger kein Wort.
    „Ein Stromspeicher, eine
Batterie, wenn sie so wollen”, erklärte die Polizistin. „Eine der zentralen
Fragen bislang war nicht nur, wie die hohe Spannung entstehen konnte, sondern
auch, woher die immense Strommenge kam. Das Elektrizitätswerk hat keinen
Verlust einer solchen vermeldet.”
    „Ach so.” Holger kam sich ein
wenig dumm vor, doch sein Zustand sollte als Entschuldigung ausreichen.
    „Beide Fahrstuhlschächte waren
übrigens tiefer als normal, so dass jeweils eine einfache Abdeckung über dem
Generator und dem Akku ausgereicht hat, um Aufzugmechaniker bei
Wartungsarbeiten nicht stutzig werden zu lassen”, fügte Herforth an und nahm
einen Schluck von ihrem Kaffee.
    „Als nächstes hätten wir die
Frage der Feuerschrift ohne Brandbeschleuniger”, fuhr sie fort. „Die
Brandursachenermittler der Feuerwehr hatten ihre liebe Mühe damit, sind aber
schließlich hinter das Rätsel gekommen. Der Trick war folgender: Es gab einen
Brandbeschleuniger, dieser basierte aber auf Lösungsmitteln. Lösungsmittel sind
leicht entflammbar und kommen in Lacken und Farben vor. Die Rückstände, die der
Brandbeschleuniger hinterließ, waren zunächst nicht weiter auffällig, da die
Bühne lackiert und die rückwertige Wand mit Farbe gestrichen war. Sie waren
also sozusagen ohnehin zu erwarten. Schließlich ist aber ihre erhöhte
Konzentration aufgefallen.”
    „So viel zum Thema
‚Flammenausbreitung ist
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