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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht
Autoren: William Gibson
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den anderen Leuten von Cops in Schwierigkeiten zu verhandeln, von denen keiner so nett war wie Karen, die lange braune Haare hatte.
    Wellington Ma war Chinese und wohnte in Los Angeles, und Karen sagte, sein Vater sei in der Big Circle Gang gewesen — doch sie riet Rydell, das Thema nicht anzusprechen.
    Wellington Mas Visitenkarte war eine rechteckige
    Scheibe aus pinkfarbenem, synthetischem Quarz, in das sein Name, ›Die Ma-Mariano-Agentur‹, eine Adresse auf dem Beverly Boulevard und alle möglichen Nummern und e-mail-Adressen mit Laser eingraviert waren. Sie kam per GlobEx in ihrem eigenen kleinen grauen Velourleder-Etui an, während Rydell noch im Krankenhaus lag.
    »Sieht aus, als ob man sich dran schneiden könnte«, sagte Rydell.
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    »Kann man, und viele haben's bestimmt auch getan«, sagte Karen Mendelsohn, »und wenn man sie in die Brieftasche steckt und sich draufsetzt, zerbricht sie.«
    »Und was soll das?«
    »Man soll sehr gut auf sie achtgeben. Man kriegt keine neue.«
    Rydell lernte Wellington Ma nie persönlich kennen, oder jedenfalls erst eine ganze Weile später, aber Karen brachte ab und zu eine kleine Aktentasche mit einem Visaphon an einem Kabel mit, und Rydell konnte mit ihm in seinem Büro in L.A. reden. Es war der schärfste Telepräsenzapparat, den Rydell je benutzt hatte, und es sah wirklich so aus, als ob er dort wäre. Er konnte aus dem Fenster zu der schiefen Pyramide hinüberschauen, die so dunkelblau wie eine Dose Noxzema-Gesichtscreme war. Er fragte Wellington Ma, was das sei, und Ma sagte, das alte Design Center, aber jetzt sei es ein billiges Einkaufszentrum, und Rydell könne dorthin gehen, wenn er nach L.A. käme, was bald der Fall sein werde.
    Turveys Freundin, Jenni-Rae Cline, strengte eine
    Reihe auf komplizierte Weise miteinander verflochtener, separater Klagen gegen Rydell, das Department, die Stadt Knoxville und das Unternehmen in Singapur an, dem das Haus gehörte, in dem sie wohnte. Rund zwanzig Millionen, alles in allem.
    Rydell, der zu einem Cop in Schwierigkeiten
    geworden war, stellte erfreut fest, daß Cops in 30
    Schwierigkeiten für ihn da waren. Sie hatten gleich als erstes Aaron Pursley engagiert, und den kannte Rydell natürlich aus der Sendung. Er hatte diese grauen Haare, diese blauen Augen und die Nase, mit der man Feuerholz spalten konnte, und er trug Jeans, Tony-Lama-Stiefel, schlichte weiße Cowboyhemden aus Oxford-Tuch und Pima-Baumwolle und einen
    Kordelschlips mit einer Spange aus Navajo-Silber. Er war berühmt, und er verteidigte Cops wie Rydell gegen Leute wie Turveys Freundin und deren Anwalt.
    Jenni-Rae Clines Anwalt brachte vor, daß Rydell gar nichts in ihrer Wohnung zu suchen gehabt hätte, daß er ihr Leben und das ihrer Kinder durch sein Erscheinen in Gefahr gebracht und Kenneth Turvey dabei getötet hätte. Mr. Turvey wurde als geschickter Handwerker dargestellt, als zuverlässiger Arbeiter und liebevolle Vaterfigur für Kelly und den kleinen Rambo, als wiedergeborener Christ und 4-Thiobuskalin-Süchtiger auf dem Wege der Besserung, und als einziger Ernährer der Familie.
    »Auf dem Wege der Besserung?« fragte Rydell
    Karen Mendelsohn in seinem Luxuszimmer im
    Flughafenhotel. Sie hatte ihm soeben das Fax von Jenni-Raes Anwalt gezeigt.
    »Anscheinend war er gerade an diesem Tag zu einer Versammlung gegangen«, sagte Karen.
    »Was hat er da gemacht?« fragte Rydell und dachte an das heilige Abendmahl in trocknendem Blut zurück.
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    »Unseren Zeugen zufolge hat er sich da in aller Öffentlichkeit einen Eßlöffel voll von seinem Lieblingsstoff reingejagt, gewaltsam das Podium erobert und eine dreißigminütige Tirade über die Strumpfhose von Präsidentin Millbank und den mutmaßlichen aktuellen Zustand ihrer Genitalien vom Stapel gelassen.
    Dann hat er sich entblößt und masturbiert, ohne zu ejakulieren, und das Untergeschoß der Ersten
    Baptistenkirche verlassen.«
    »Du lieber Gott«, sagte Rydell. »Und das bei einer dieser Versammlungen von Drogensüchtigen, wie die Anonymen Alkoholiker?«
    »Genau«, sagte Karen Mendelsohn, »obwohl
    Turveys Darbietung anscheinend eine bedauerliche Reihe von Rückfällen ausgelöst hat. Wir schicken natürlich ein Beraterteam hin, um mit denen zu arbeiten, die bei der Versammlung waren.«
    »Das ist nett«, sagte Rydell.
    »Macht vor Gericht einen guten Eindruck«, sagte sie,
    »für den unwahrscheinlichen Fall, daß wir da jemals hinkommen sollten.«
    »Er war nicht ›auf dem Wege der Besserung‹«,
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