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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht
Autoren: William Gibson
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»das tun wir nur, wenn sie uns ausdrücklich drum bitten oder wenn sie sonst sterben. Viele von uns haben gute Gründe, nirgends hinzugehen, wo sie per Computer überprüft werden und so.«
    »Aha«, sagte Yamasaki taktvoll, wie er hoffte.
    »Ja, ›aha‹«, sagte Fontaine. »Wahrscheinlich haben ihn zuerst ein paar Kinder gefunden und ihm die Brieftasche geklaut, falls er eine hatte. Aber er ist ein großer, gesunder Bruder, und irgendwer wird ihn irgendwann mal erkennen. Läßt sich ja kaum vermeiden, bei diesem Bolzen in seinem Heini.«
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    »Ja«, sagte Yamasaki, der die letzte Bemerkung nicht verstanden hatte, »und ich habe noch Ihre Pistole.«
    Fontaine schaute sich um. »Also, wenn du meinst, daß du sie nicht mehr brauchst, dann schmeiß sie einfach weg. Aber das Telefon muß ich irgendwann wiederhaben. Wie lange bleibst du eigentlich hier draußen?«
    »Ich ... ich weiß nicht.« Und das stimmte.
    »Kommst du heute nachmittag runter, um dir die Parade anzuschauen?«
    »Parade?«
    »Fünfzehnter November. Shapelys Geburtstag. Da gibt's was zu sehen, 'ne Atmosphäre wie beim Mardi Gras. Viele von den Jüngeren ziehen sich aus, aber bei dem Wetter ... ich weiß nicht. Na ja, wir sehen uns. Sag Skinner hallo von mir.«
    »Hallo, ja«, sagte Yamasaki lächelnd, als Fontaine seines Weges ging, wobei der Regenbogen seiner gehäkelten Mütze über den Köpfen der Menge auf und ab wippte.
     
    Yamasaki ging zum Kaffeeverkäufer und dachte
    dabei an den Leichenzug und die tanzende,
    scharlachrote Gestalt mit der rot lackierten Flinte. Das Symbol von Shapelys Heimgang.
    Shapely war in Salt Lake City ermordet worden —geopfert, wie manche sagten. Seine sieben Mörder, schwerbewaffnete Fundamentalisten, Mitglieder einer 471
    weißen, rassistischen Sekte, die in den Monaten nach dem Anschlag auf dem Flughafen in den Untergrund getrieben worden war, saßen immer noch in Utah im Gefängnis, obwohl zwei von ihnen später an AIDS
    gestorben waren, das sie sich wahrscheinlich im Gefängnis geholt hatten; sie hatten sich standhaft geweigert, sich die auf Shapelys Namen patentierte Virusart injizieren zu lassen.
    Sie hatten während des Prozesses geschwiegen, und ihr Anführer hatte nur erklärt, die Krankheit sei Gottes Rache an den Sündern und den Unreinen. Es waren hagere Männer mit rasierten Schädeln und leeren, unerbittlichen Augen, Gottes Schützen, und als die würden sie für immer in die Geschichte eingehen.
    Aber Shapely war bei seinem Tod sehr reich
    gewesen, dachte Yamasaki, während er sich in der Kaffeeschlange anstellte. Vielleicht war er sogar glücklich gewesen. Er hatte gesehen, wie das Produkt seines Blutes der Dunkelheit Einhalt gebot und sie zurückdrängte. Jetzt gingen andere Seuchen um, aber der Lebendimpfstoff, der aus Shapelys Variante gezüchtet worden war, hatte unzählige Millionen gerettet.
    Yamasaki schwor sich, daß er bei Shapelys
    Geburtstagsparade dabeisein würde. Er würde daran denken, sein Notebook mitzubringen.
    Er stand im Duft frisch gemahlenen Kaffees und wartete, bis er an der Reihe war.
     
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Danksagung
    Dieses Buch hat Paolo Polledri, dem Gründungskurator für Architektur und Design des Museum of Modern Art in San Francisco, besonders viel zu verdanken. Mr. Polledri gab für die Ausstellung Visionary San Francisco (1990) eine Erzählung in Auftrag, aus der die Short Story ›Skinner's Room‹
    wurde, und sorgte außerdem dafür, daß ich mit den Architekten Ming Fung und Craig Hodgetts zusammenarbeiten konnte, deren neuer Entwurf der Stadt (den ich meinerseits noch einmal ummodelte) mir den Skywalker Park, die Falle und die Sunflower-Türme lieferte. (Aus einem anderen Text, der für diese Ausstellung in Auftrag gegeben worden war — Richard Rodriguez' kraftvollem »Sodonx: Reflections on a Stereotype‹ —, übernahm ich die viktorianische Villa, in der Yamasaki wohnt, und deren melancholische Atmosphäre.)
    Rydells Los Angeles beruht in vielen Punkten auf meiner Lektüre von Mike Davis' City of Quartz, ganz besonders vielleicht im Hinblick auf dessen Bemerkungen zur Privatisierung öffentlichen Raums.
    Zu Dank verpflichtet bin ich Markus, alias Für, einem der Redakteure von Mercury Rising, herausgegeben von der und für die San Francisco Bike Messenger Association, der mir freundlicherweise eine komplette Sammlung alter Ausgaben zur Verfügung stellte und 474
    dann ungefähr ein Jahr lang nichts mehr von mir hörte (sorry). Mercury Rising soll die
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