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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht
Autoren: William Gibson
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Gepäckberge, aber Sergei wußte, wohin sie gingen — zu der Garage drüben auf der anderen Seite.
    Sergeis Wagen war lang, schwarz und deutsch und
    sah aus, als ob ihn jemand gerade mit warmer Spucke und Q-Tips geputzt hätte. Als Rydell auf dem
    Beifahrersitz Platz nehmen wollte, wurde Sergei wieder ganz nervös und bugsierte ihn zu Karen auf den Rücksitz. Darüber mußte sie lachen, und Rydell fühlte sich besser.
    Als sie aus der Garage fuhren, erspähte Rydell
    drüben bei den großen Lettern aus rostfreiem Stahl, die das Wort METRO bildeten, zwei Cops. Sie trugen klimatisierte Helme mit klaren Kunststoff-Sichtscheiben.
    Sie stießen einen alten Mann mit ihren Knüppeln, die aber wohl nicht eingeschaltet waren. Die Jeans des alten Mannes waren an den Knien ausgebleicht, und er hatte große Klebepflaster auf beiden Wangenknochen, was so gut wie immer Krebs bedeutete. Er war derart 39
    verbrannt, daß sich über seine Hautfarbe schwer etwas sagen ließ. Ob er weiß oder sonstwas war. Eine Menschenmenge strömte die Treppe unter dem METRO—Schild hinter dem alten Mann und den Cops hinauf.
    »Willkommen in Los Angeles«, sagte sie. »Sei froh, daß du nicht mit der U-Bahn fahren mußt.«
     
    An diesem Abend aßen sie mit Pursley persönlich in einem Tex-Mex-Restaurant auf der North Flores Street zu Abend, in Hollywood, wie Karen sagte. Es war das beste Tex-Mex-Essen, das Rydell je bekommen hatte.
    Ungefähr einen Monat später wollte er Sublett zu dessen Geburtstag dorthin einladen und ihn mit einem Essen wie in der guten alten Heimat ein wenig aufmuntern, aber der Mann vor der Tür wollte sie nicht reinlassen.
    »Alles besetzt«, sagte er.
    Rydell konnte durchs Fenster eine Menge freier
    Tische sehen. Es war noch früh, und es war kaum
    jemand drin. »Und was ist mit denen?« fragte Rydell und zeigte auf all die freien Tische.
    »Reserviert«, sagte der Mann.
    Sublett meinte, stark gewürzte Speisen seien eh nicht so ganz das Wahre für ihn.
    Wenn er mit Gunhead unterwegs war, fuhr er
    inzwischen am liebsten in die Hügel und Canyons,
    besonders in einer Nacht mit gutem Mond. Manchmal sah man da oben etwas und wußte nicht genau, ob man es nun wirklich gesehen hatte oder nicht. In einer 40
    Vollmondnacht war Rydell mit Gunhead auf einer
    Landstraße um eine Biegung geschossen und hatte im Scheinwerferlicht eine nackte Frau mitten in der Bewegung erstarren lassen, zitternd wie ein Reh. Sie war nur eine Sekunde lang da, aber das reichte Rydell; er glaubte gesehen zu haben, daß sie entweder silberne Hörner oder einen Hut mit einer nach oben gebogenen Sichel auf dem Kopf hatte und daß sie möglicherweise Japanerin war, was ihm damals als das merkwürdigste an der ganzen Sache erschienen war. Dann sah sie ihn — er sah, daß sie ihn sah — und lächelte. Dann war sie weg.
    Sublett hatte sie auch gesehen, aber der Anblick
    hatte bei ihm nur einen ekstatischen Anfall religiöser Furcht ausgelöst und sein Mundwerk in hypermotorische Bewegung versetzt. Jeder Horrorfilm, den er je gesehen hatte, vermischte sich holterdiepolter mit Reverend Fallons Tiraden über Hexen, Teufelsanbeterinnen und die lebende Macht Satans. Er hatte seine Wochenration Kaugummi aufgebraucht und pausenlos geredet, bis Rydell ihn schließlich anfauchte, er solle, verdammt noch mal, die Schnauze halten.
    Da sie jetzt verschwunden war, wollte er über sie nachdenken. Wie sie ausgesehen hatte, was sie dort wohl gemacht hatte, und wie es kam, daß sie verschwunden war. Während Sublett auf dem
    Beifahrersitz schmollte, hatte Rydell versucht, sich genau ins Gedächtnis zu rufen, wie sie es fertiggebracht hatte, 41
    sich so perfekt und plötzlich in Luft aufzulösen. Und das Komische war, daß er sich gewissermaßen auf zwei Arten daran erinnerte, während er sich im Gegensatz dazu immer noch nicht richtig daran erinnern konnte, Kenneth Turvey erschossen zu haben, obwohl er Produktionsassistenten und Anwälte des Senders so oft darüber reden gehört hatte, daß es ihm vorkam, als ob er es gesehen hätte, zumindest in der Version von Cops in Schwierigkeiten (die nie ausgestrahlt worden war).
    In der einen Erinnerung hatte sie sich einfach irgendwie den Hang am Straßenrand hinunterbegeben, obwohl er nicht sagen konnte, ob sie gelaufen oder geschwebt war.
    In der anderen Erinnerung war sie den Hang auf der anderen Straßenseite hinaufgesprungen — obwohl das Wort eine klägliche Untertreibung war —, hatte einen Satz über diese ganze von Staub
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