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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht
Autoren: William Gibson
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die bis ganz oben durchgingen. Man konnte sehen, wo sie verliefen, weil die Wände größtenteils aus einer Art Glas und durchsichtig waren. Es war so ziemlich das größte Gebäude in der Gegend; man konnte es schon aus weiter Ferne sehen. Rydell nannte es den Klecks.
    Es war auch sehr vornehm, wie im China Basin, mit den gleichen Leuten, wie man sie meistens im Finanzdistrikt oder in Einkaufszentren sah, oder wenn man als Kurier arbeitete.
    Nun, sie hatte ihre Abzeichen dran, und sie hatte im Motel gründlich geduscht, aber sie begann, sich in dem Gebäude trotzdem unbehaglich zu fühlen. All diese Bäume da drin, der Weg bis ganz nach oben in dem riesigen, hohlen Bein, und alles unter einem merkwürdigen gefilterten Licht, das durch die
    Seitenwände hereinfiel. Und hier stand sie nun auf einer Rolltreppe, die ungefähr eine Meile hinauffuhr, höher und höher, und um sie herum lauter Leute, die hierhergehören mußten. In den anderen beiden Beinen waren Fahrstühle, hatte Rydell gesagt; sie verliefen schräg nach oben, wie der Lift, der zu Skinner hinaufführte. Aber Subletts Freund hatte gemeint, daß sie meistens von IntenSecure-Leuten bewacht würden.
    Sie wußte, daß Sublett irgendwo hinter ihr war; jedenfalls hatten sie das so geplant, bevor Rydell sie am Eingang abgesetzt hatte. Sie hatte ihn gefragt, wohin er denn wolle, und er hatte nur gesagt, er müsse weg und 442
    sich eine Taschenlampe ausborgen. Sie fing an, ihn wirklich zu mögen. Das beunruhigte sie irgendwie. Sie fragte sich, wie er wohl wäre, wenn er nicht in einer solchen Lage war. Sie fragte sich, wie sie wohl wäre, wenn sie nicht in einer solchen Lage war.
    Er und Sublett hatten beide bei der Firma gearbeitet, die für den Wachdienst in diesem Gebäude zuständig war — IntenSecure —, und Sublett hatte einen Freund angerufen und ihn gefragt, wie gut die Sicherheitsmaßnahmen seien. Er hatte es so formuliert, daß es klang, als wollte er einen neuen Job bei dem Unternehmen haben. Aber er und Rydell hatten alles so ausgetüftelt, daß sie hineingelangen konnte; Sublett sollte ihr folgen, um sie im Auge zu behalten.
    Was sie an Sublett nervös machte, war sein
    Benehmen; er verhielt sich, als ob er Selbstmord begehen würde oder so. Sobald er sich auf das
    Programm — Rydells Plan — eingelassen hatte, war es, als würde er sich von allem losgelöst fühlen. Er redete andauernd von seiner Apostasie und den Filmen, die er mochte, und von jemandem namens Cronenberg.
    Strahlte eine unheimliche Ruhe aus, wie ein Mensch, der genau wußte, daß er sterben würde; als hätte er seinen Frieden damit gemacht, nur daß er sich immer noch wegen seiner Allergien aufregte.
    Grünes Licht, in dem es stetig nach oben ging.
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    Sie hatten ihr im Motel das Päckchen fertiggemacht.
    Es enthielt die Brille. Die Empfängerin war Karen Mendelsohn.
    Sie schloß die Augen, sagte sich, Bunny Malatesta würde auf ihrem Kopf Wiegetritt fahren, wenn sie das Päckchen nicht ablieferte, und drückte auf den Knopf.
    »Ja?« Es war einer dieser Computer.
    »Allied Messenger, für Karen Mendelsohn.«
    »Eine Sendung?«
    »Sie muß unterschreiben.«
    »Ich bin autorisiert, den Strichcode ...«
    »Ihre Hand. Ich muß ihre Hand sehen. Wie sie's in Empfang nimmt. Klar?«
    Stille. »Art der Sendung?«
    »Glaubst du, ich mach das Ding auf, oder was?«
    »Art der Sendung?«
    »Mal sehen«, sagte Chevette. »Da steht
    ›Nachlaßgericht‹ drauf, es ist aus San Francisco, und wenn du nicht die Tür aufmachst, du Genie, dann geht's mit der nächsten Maschine zurück.«
    »Moment, bitte«, sagte der Computer.
    Chevette warf einen Blick auf die Topfpflanzen neben der Tür. Sie waren groß und sahen echt aus, und sie wußte, daß Sublett hinter ihnen stand, aber sie konnte ihn nicht sehen. Jemand hatte zwischen den Wurzeln der einen eine Zigarette ausgedrückt.
    Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit. »Ja?«
    »Karen Mendelsohn?«
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    »Was gibt's?«
    »Allied Messenger, San Francisco. Würden Sie bitte unterschreiben?« Aber da war gar nichts, kein Etikett, kein Schild.
    »San Francisco?«
    »So steht's drauf.«
    Die Tür ging ein bißchen weiter auf. Eine
    dunkelhaarige Frau in einem langen, hellen
    Frotteebademantel. Chevette sah, wie sie die Abzeichen an Skinners Jacke musterte. »Ich verstehe nicht«, sagte Karen Mendelsohn. »Wir machen alles über GlobEx.«
    »Die sind zu langsam«, sagte Chevette, als Sublett in schwarzer Uniform um die Pflanze herumkam. Chevette sah
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