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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht
Autoren: William Gibson
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Portable vom Motel aus angerufen hatte, hatte er ihm drei Uhr gesagt.
    Gottesfresser hatte ihm diese Nummer besorgt.
    Gottesfresser konnte einem jede Nummer besorgen.
    Warbaby schien richtig traurig, von ihm zu hören.
    Irgendwie enttäuscht. »Das hätten wir nie von Ihnen erwartet, Rydell.«
    »Tut mir leid, Mr. Warbaby. Diese Scheiß-Russen.
    Und dieses Cowboy-Arschloch, dieser Loveless. Die haben sich in alles reingemischt und dauernd auf mir rumgehackt.«
    »Kein Grund, sich so ordinär auszudrücken. Wer hat Ihnen diese Nummer gegeben?«
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    »Die hab ich vorher schon von Hernandez
    bekommen.«
    Stille.
    »Ich hab die Brille, Mr. Warbaby.«
    »Wo sind Sie?«
    Chevette Washington beobachtete ihn vom Bett aus.
    »In Los Angeles. Ich fand, ich sollte lieber so viel Abstand wie möglich zwischen mich und diese Russen bringen.«
    Eine Pause. Vielleicht hatte Warbaby die Hand über die Muschel gelegt. Dann: »Nun, ich denke, ich kann Ihr Verhalten verstehen, obwohl ich nicht sagen kann, daß ich es billige ...«
    »Können Sie herkommen und sie abholen, Mr.
    Warbaby? Und dann sind wir quitt, ja?«
    Eine längere Pause. »Nun, Rydell« — traurig —, »ich möchte nicht, daß Sie vergessen, wie enttäuscht ich von Ihnen bin, aber ... ja, das könnte ich tun.«
    »Aber nur Sie und Freddie, okay? Niemand sonst.«
    »Selbstverständlich«, hatte Warbaby gesagt. Rydell stellte sich vor, wie er zu Freddie hinüberschaute, der auf einem neuen Laptop herumhackte, um den Anruf zurückzuverfolgen. Zu einem Netzknoten in Oakland und dann weiter zu einer verwürfelten Nummer.
    »Seien Sie morgen da, Mr. Warbaby. Ich ruf Sie
    unter der gleichen Nummer an und sag Ihnen, wo Sie hinkommen sollen. Punkt drei.«
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    »Ich denke, Sie haben die richtige Entscheidung
    getroffen, Rydell«, hatte Warbaby gesagt.
    »Hoffentlich«, hatte Rydell gesagt und aufgelegt.
    Jetzt schaute er auf seine Timex. Trank einen Schluck Milchkaffee. Punkt drei. Er stellte den Kaffee auf den Tresen und holte das Telefon raus. Begann, Warbabys Nummer einzutippen.
    Sie brauchten zwanzig Minuten. Sie kamen mit zwei Wagen, aus entgegengesetzten Richtungen: Warbaby und Freddie in einem schwarzen Lincoln mit einer
    weißen Satellitenschüssel oben drauf, Freddie am
    Lenkrad, dann Swobodow und Orlowsky in einer
    metallic-grauen Lada-Limousine, die Rydell für einen Mietwagen hielt.
    Er beobachtete, wie sie sich trafen, alle vier, dann auf die Plaza unter dem Klecks kamen und an den kinetischen Skulpturen vorbei auf den nächsten Fahrstuhl zusteuerten. Warbaby stützte sich auf seinen Stock und sah so traurig aus wie eh und je. Er trug denselben olivgrünen Mantel und seinen Stetson, Freddie hatte ein weites Hemd mit viel Pink drin an und einen Laptop unter dem Arm, und die Russen von der Mordkommission trugen graue Anzüge, die ungefähr die gleiche Farbe und Struktur hatten wie ihr Lada.
    Er wartete noch eine Weile, um zu sehen, ob
    Loveless auftauchen würde, dann begann er, die
    Nummer in Utah einzutippen.
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    »Bitte, lieber Gott«, murmelte er, während er die Klingelzeichen zählte.
    »Ist was mit Ihrem Latte?« Der kleine Zentralasiate im Kaffeemodul sah ihn an.
    »Alles okay«, sagte Rydell, als Gottesfresser
    abnahm.
    »Ja?«
    »Paradies.«
    »Richard?«
    »Nixon. Sie sind da. Vier, nur Smiley fehlt.«
    »Die beiden Russen, Warbaby und sein
    Handlanger?«
    »Genau.«
    »Aber der andere nicht.«
    »Ich seh ihn nicht ...«
    »Seine Beschreibung ist eh im Paket drin. Okay,
    Rydell. Auf geht's!« Klick.
    Rydell steckte das Telefon in seine Jackentasche, drehte sich um und ging mit schnellen Schritten zur Rolltreppe. Der Junge im Kaffeemodul dachte wahrscheinlich, daß mit dem Latte was nicht in Ordnung gewesen war.
    Gottesfresser und seine Freunde — falls sie nicht nur eine einzige Person waren, zum Beispiel eine übergeschnappte alte Dame in den Hügeln von Oakland mit einer mehrere Millionen Dollar teuren Ausrüstung und einer rabenschwarzen Seele — waren Rydell wie Aufschneider erschienen, die ihresgleichen suchten.
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    Wenn man ihnen Glauben schenkte, so gab es nichts, was sie nicht konnten. Aber wenn sie derart mächtig waren, wie kam es dann, daß sie sich verstecken und ihr Geld mit kriminellen Delikten verdienen mußten?
    Rydell hatte auf der Akademie ein paar Vorträge
    über Computerkriminalität gehört, aber das war ziemlich trockenes Zeug gewesen. Die historischen Hintergründe, daß Hacker früher mal bloß clevere Kids gewesen
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