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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht
Autoren: William Gibson
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ihr Spiegelbild in seinen Kontaktlinsen; es war in der Mitte ein bißchen ausgebaucht.
    »Miss Mendelsohn«, sagte er, »ich fürchte, wir haben hier einen Sicherheitsnotfall.«
    Karen Mendelsohn sah ihn an. »Einen Notfall?«
    »Kein Grund zur Sorge«, sagte Sublett. Er legte Chevette die Hand auf die Schulter und steuerte sie an Karen Mendelsohn vorbei in die Wohnung. »Wir haben die Lage im Griff. Und wir wissen Ihre Mitarbeit zu schätzen.«
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Miracle Mile
    ›Wally‹ Divac, Rydells serbischer Vermieter, hatte Rydell seine Taschenlampe eigentlich nicht geben wollen, aber Rydell hatte gelogen und versprochen, ihm bei IntenSecure was viel Besseres zu besorgen und es mitzubringen, wenn er die Taschenlampe zurückbrachte.
    Vielleicht einen dieser Teleskopschlagstöcke mit
    drahtlosen Taserspitzen, sagte er; was Vernünftiges jedenfalls, was Professionelles und vielleicht auch halbwegs Illegales. Wally war eine Art Cop-Groupie. Er hatte gern das Gefühl, mit den Jungs von der Truppe auf du und du zu sein. Wie viele Leute machte er keinen großen Unterschied zwischen der richtigen Polizei und einer Firma wie IntenSecure. Er hatte auch eins dieser Wachdienst-Schilder in seinem Vorgarten, aber Rydell war froh zu sehen, daß es nicht von IntenSecure war.
    Wally konnte sich einen solchen Service eigentlich nicht leisten, so wie auch sein Wagen ein gebrauchter war, obwohl er sagen würde, es sei einer aus Vorbesitz, als ob der erste Eigentümer bloß ein Lakai gewesen wäre, der die Aufgabe gehabt hätte, ihn für ihn einzufahren.
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    Aber ihm gehörte das Haus, in dem er wohnte, das
    mit der himmelblauen äußeren Seitenwandung aus
    Plastik, die wie lackiertes Holz aussah, und einer Kunstrasenfläche, die echter wirkte als Astroturf. Und er besaß das Haus in Mar Vista und noch ein paar weitere Häuser. Seine Schwester war 1994 rübergekommen, und dann war er selbst gekommen, um diesen Moslems und den ganzen Problemen zu entfliehen, die sie verursachten. Er hatte es nie bereut. Er sagte, dies sei ein tolles Land, man ließe nur zu viele Immigranten rein.
    »Was fahren Sie denn da?« hatte er von der Treppe des renovierten Craftsman-Mobilheims zwei Blocks oberhalb der Melrose aus gefragt.
    »'nen Montxo«, antwortete Rydell. »Aus Barcelona.
    Ist 'n Elektrowagen.«
    »Sie leben doch in Amerika«, hatte er gesagt, die grauen Haare sauber aus der narbigen Stirn gekämmt und nach hinten an den Schädel geklatscht, »warum fahren Sie da so was?« Sein makelloser BMW ruhte auf der Auffahrt. Er brauchte fünf Minuten, um die Alarmanlagen und Schutzvorrichtungen auszuschalten und Rydell die Taschenlampe herauszuholen. Rydell hatte sich an den ersten Weihnachtstag damals in Knoxville erinnert, als die neuen Walkietalkies der Drogenfahndung jeden Autoalarm im Umkreis von zehn Meilen ausgelöst hatten.
    »Weil er gut für die Umwelt ist«, sagte Rydell.
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    »Aber schlecht für Ihr Land«, sagte Wally. »Ist eine Imagefrage. Ein Amerikaner sollte einen Wagen fahren, auf den er stolz sein kann. Einen bayerischen Wagen.
    Oder wenigsten einen Japaner.«
    »Ich bring Ihnen das zurück, Wally.« Er hielt die große schwarze Taschenlampe hoch.
    »Und noch was dazu. Haben Sie gesagt.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen deswegen.«
    »Wann zahlen Sie die Miete für Mar Vista?«
    »Kevin kümmert sich drum.« Er stieg in den winzigen Montxo und startete das Schwungrad. Der Wagen stand da und schaukelte leicht auf seinen Stoßdämpfern, während das Rad in Fahrt kam.
    Wally winkte, zuckte die Achseln, ging in sein Haus zurück und schloß die Tür. Rydell hatte ihn noch nie ohne seinen Tirolerhut gesehen.
    Er sah sich die Taschenlampe an und versuchte
    rauszukriegen, wo sich die Sicherung befand. Es war nicht viel, aber er hatte das Gefühl, etwas bei sich haben zu müssen. Und sie war nicht tödlich. Es war nicht schwer, auf der Straße Schußwaffen zu kaufen, aber er wollte heute eigentlich keine in Griffweite haben. Das Strafmaß sah ganz anders aus, wenn eine Knarre im Spiel war.
    Dann war er zum Klecks zurückgefahren, wobei er
    es an den Kreuzungen richtig locker angehen ließ und auf Straßen zu bleiben versuchte, die Extraspuren für Elektrofahrzeuge hatten. Er holte Chevettes Telefon 448
    heraus und drückte auf Wahlwiederholung, um die
    Netzknotennummer in Utah anzuwählen, die ihm
    Gottesfresser in Paradise gegeben hatte. Gottesfresser war derjenige, der wie der Berg aussah, das behauptete er jedenfalls. Rydell hatte ihn
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