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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende
Autoren: Judith Hueller
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Familie?«
    »Die meint bestimmt die Jungs, Süße, die … äh, oh. Sag mal … wo sind eigentlich die Jungs?«
    Tja. Gute Frage. Verdammt gute Frage.
    Es waren einmal drei Polen. Die wollten Junggesellenabschied feiern in Hamburg auf dem Dom. Die konnte doch nicht der Erdboden verschluckt haben. Oder? Suchend blickten Jule und Ewa sich um. Keiner zu sehen, weder stehend noch liegend, an keiner Schnapsbude im näheren Umkreis.
    »Süße, die waren doch immer hinter uns.«
    »Aber wir sind abgetaucht, Jule. Erst im Autoscooter, dann …«
    »Vielleicht sitzen die gerade in der Achterbahn da drüben?«
    »Ausgeschlossen. Jakub hat Höhenangst, Krysztof eine schwache Blase, und Piotr macht ohne Alicjas Go gar nichts. Hier, mein Handy. Piotrs Nummer ist eingespeichert. Klingel den mal an. Ich muss dringend wohin.« Und schon wuselte Ewa zum Toilettenwagen.
    Jule gehorchte. Name gefunden, Nummer gewählt, es tutete.
    »Hast du wieder Stress mit deiner Prinzessin, Ewa?«
    »Alicja?«
    »Jule?«
    Peinlich berührtes Schweigen an beiden Enden der Leitung. Jule verdaute den Schock. »Warum gehst du an Piotrs Handy?«
    »Wir sind verlobt, Liebes. Und du telefonierst doch auch mit Ewas Handy. Also?«
    Bezwingende Logik. »Heißt das, du bist auf dem Dom?«
    »Nein. Mein Piotr hat nur sein Handy hier vergessen. Ich bin zu Hause, trinke und unterhalte mich prächtig.«
    »Oh. Du hast Besuch?«, kombinierte Jule. »Sorry, ich will auch gar nicht lange stören. Wir haben die Jungs verloren.«
    Alicja lachte auf. »Warum? Hattet ihr doch noch Sex im Hotel?«
    »Ewa hasst Hotels, wie oft denn noch?!« Pfff. Beste Freundin und Gedächtnis wie ein Sieb. »Wir haben uns anders amüsiert.«
    »Was siehst du gerade, Liebes?«
    »Bitte?« Boah, ist heute Brillenträger-Mobbing-Tag? »Alles natürlich.«
    »Liebes, dort, wo du gerade stehst. Was ist da?«
    Jule inspizierte die Lage. »Losbude, Schiffschaukel, ein Stand mit sauren Gurken, Geldautomat. Aktuell warte ich vor einem Klo.«
    »Verstehe. Dom-Mitte. Heißt, die Jungs haben fünf Bier und zwölf Kurze intus. Genug vorgeglüht. Sucht sie auf dem Kiez. Dollhouse.«
    »Wo?«
    »Frag Ewa. Die weiß, wo das ist. Es sei denn, Krysztof hat noch mehr gebechert. Dann geht lieber gleich auf die Davidwache.«
    »Wohin?«
    »Polizeistation. Ewa kennt sich aus.«
    »Äh … tatsächlich?« Jules Herzschlag beschleunigte sich. »Du, sollte ich irgendwas wissen, Alicja? Ist Krysztof … kriminell?«
    »Beruhige dich. Gesucht wird er derzeit nur von euch, Liebes. Die Jungs sind harmlos wie junge Hunde. Alleine tapsig und lieb, aber betrunken im Rudel bauen sie Mist. Mehr nicht.«
    »Definiere Mist.«
    »Nichts Schlimmes. Beim letzten Mal hat Krysztof einem Loseverkäufer den Kiefer gebrochen.«
    »Wie bitte?« Jule verrutschte die Tonlage.
    »Liebes, wir hatten 30 Lose und 28 Nieten. Er war sauer.«
    »Aber man drischt doch nicht einfach los.«
    »Krysztof wollte den Spongebob für seine Natalia. Tja, die Liebe, die Liebe. Da macht man schon komische Sachen. Oder?«
    Jule schwieg erstmal. 2:0 für dich, du unfassbar weise Frau. »O-okay. Danke. Viel Spaß noch mit deiner Freundin.«
    »Nein, Liebes. Ewas Mutter ist hier.«
    »Was?« Herr, schenke mir zum Sehfehler einen Hörfehler … Sofort!
    »Was schreist du denn so? Freust du dich? Hach, bist du süß. Ja, nach unserem Telefonat vorhin hat sie sich ins Auto gesetzt und ist hergedüst. Ist das nicht nett? Du, warte mal. Sie will dich unbedingt sprechen. Ich gebe sie dir kurz …«
    Jule starrte auf das Handy. Ein klarer Fall von Schutzreflex. Sie hatte es getan. Aufgelegt. Einfach so. Sie hatte Ewas Mutter vor der ersten Wortmeldung aus der Leitung gekickt. Schweitzer, du doof? – Das war ein Versehen. – Lüg nicht. Du hast es versemmelt, Glückwunsch. Die polnische Mutti zermetzelt dich zur Teigtasche. – Aber ich bin mit ihrer Tochter zusammen. - Dann erwürgt sie dich gleich … Zwei Arme legten sich um ihren Hals, und jäh erstarb Jules interne Debatte.
    »Alles okay?«, fragte Ewa.
    Jule glitt das Telefon aus den Fingern und es krachte auf den Asphalt.
    »Geht’s noch?« Rasch hob Ewa es auf. Zum Glück war es in einem Stück.
    »So-sorry.«
    Kritischer Röntgenblick von Ewa. »Was ist los?«
    »Nichts. Alles gut.« Besonders glaubwürdig klang sie nicht, das gab Jule gern zu.
    »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    Nicht gesehen, aber beinahe gehört. Gruselgruselgrusel. »Ewa? Lass uns den Hamburg-Trip abbrechen,
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