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Vier moralische Schriften

Vier moralische Schriften

Titel: Vier moralische Schriften
Autoren: Umberto Eco
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amerikanisches Studentenpublikum gedacht war und in den Tagen vorgetragen wurde, als Amerika, durch das Bombenatten-tat von Oklahoma erschüttert, entdecken mußte, daß es in den Vereinigten Staaten (was freilich kein Geheimnis war) militärische Organisationen der extremen Rechten gab. So bekam das Thema des Antifaschismus für die Zuhörer eine besondere Bedeutung, und der Rückblick in die Geschichte sollte eine Reflexion über aktuelle Probleme in verschiedenen Ländern anregen; der Vortrag ist dann von vielen Zeitungen und Zeit-schriften in andere Sprachen übersetzt worden. Daß er
    ursprünglich an junge Amerikaner gerichtet war, erklärt im übrigen auch, wieso darin fast schulmäßige Informationen und Präzisierungen über Ereignisse gegeben werden, die italienischen Lesern bekannt sein sollten, und warum er Zitate von Roosevelt, Anspielungen auf den amerikanischen Antifaschismus und wiederholte Verweise auf die Begegnung zwischen Europäern und Amerikanern in den Tagen der Befreiung enthält.

    »Wenn der andere ins Spiel kommt« (Quando entra in scena l’altro) war eine meiner Antworten an Kardinal Martini im Laufe eines Briefwechsels, den die Zeitschrift Liberal organisiert und veröffentlicht hatte. Der insgesamt acht Texte umfassende Briefwechsel ist anschließend in einem Bändchen mit dem Titel »Woran glaubt, wer nicht gläubig ist?«
    (In cosa crede chi non crede?, Rom, Atlantide Editoriale, 1996) erschienen. Mein Text beantwortet folgende Frage, die mir Kardinal Martini gestellt hatte: »Worauf beruht die Gewiß-
    heit und der imperative Charakter Ihres moralischen Handelns, wenn Sie nicht beabsichtigen, zur Begründung der Absolutheit einer Ethik an metaphysische Prinzipien oder jedenfalls trans-zendente Werte und auch nicht an allgemeingültige kategorische Imperative zu appellieren?« Zum Rahmen der Debatte verweise ich auf das genannte Bändchen, das auch Beiträge von Emanue-6
    le Severino, Manlio Sgalambro, Eugenio Scalfari, Indro Monta-nelli, Vittorio Foa und Claudio Martelli enthält.

    »Die Migrationen, die Toleranz und das Untolerierbare« (Le Migrazioni, la tolleranza e l’intollerabile) ist eine Collage. Der erste Teil gibt die erste Hälfte eines Vortrags wieder, den ich am 23. Januar 1997 zur Eröffnung eines von der Stadt Valencia veranstalteten Kongresses über die Perspektiven des Dritten Jahrtausends gehalten habe. Der zweite Teil ist eine Adaptation meines auf französisch gehaltenen Einführungsvortrags zu dem von der Pariser Académie Universelle des Cultures am 26. und 27. März 1997 veranstalteten Internationalen Forum über Intoleranz. Der dritte Teil war ursprünglich ein Artikel in der Tageszeitung La Repubblica, der im August 1996 unter dem Titel »Fragen wir uns nicht, wem die Stunde schlägt« anläßlich des Urteils im ersten Militärgerichtsprozeß gegen Priebke erschienen ist.

    7
    Nachdenken über den Krieg
    Dieser Aufsatz handelt vom Krieg, vom wirklichen, »heißen«
    und mit ausdrücklicher Zustimmung der Nationen geführten Schießkrieg, wie er sich in der heutigen Welt darstellt. Da ich dies zu der Zeit schreibe, als die alliierten Truppen nach Kuweit einmarschiert sind, steht zu vermuten, daß es – wenn keine gravierenden Umschwünge eintreten – zu einer Zeit gelesen wird, in welcher alle der Meinung sein werden, daß der Golfkrieg ein befriedigendes Ergebnis erreicht habe, befriedigend, weil den Zielen entsprechend, um derentwillen er geführt worden ist. In einem solchen Fall von der Unmöglichkeit und Nutzlosigkeit des Krieges zu sprechen würde dann als widersinnig erscheinen, da niemand mehr bereit wäre, eine
    Unternehmung als nutzlos oder unmöglich zu betrachten, die ihre gesetzten Ziele erreicht hat. Dennoch müssen die folgenden Überlegungen gültig bleiben, gleich wie sich die Dinge entwik-keln. Ja, sie müssen sogar erst recht gültig bleiben, wenn der Krieg erlaubt haben sollte, »vorteilhafte« Ergebnisse zu erzielen, weil sonst alle Welt überzeugt sein könnte, daß Krieg in manchen Fällen doch noch eine vernünftige Möglichkeit sei.
    Was jedoch entschieden bestritten werden muß.
    Seit Beginn des Krieges waren diverse Appelle zu lesen und zu hören, die »den Intellektuellen« vorwarfen, angesichts dieses Dramas nicht gebührend Stellung zu beziehen. Da die tönende Mehrheit, die so sprach oder schrieb, in der Regel von Intellektuellen (im berufsständischen Sinne des Wortes) repräsentiert wurde, fragt man sich, wer dann der
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