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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Autoren: Eduardo Sacheri
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Unterlagen sind.«
    »Mag sein, aber deine Mutter ist schon etwas älter, und du weißt ja, wie das ist.«
    »Deshalb hat sich ja auch Mono immer um solche Sachen gekümmert.«
    Fernando hält Mauricios Blick stand und setzt sich aufrecht hin. Man muss kein Genie sein, um zu bemerken, wie viel Vorwurf in Mauricios Blick liegt. Mauricio denkt, dass er das Ruder schon vor zwei Monaten hätte übernehmen müssen, als klar wurde, dass Mono sterben würde. Aber gerade deswegen hatte er es nicht getan, weil es ihm vorgekommen war, als würde er das Sterben noch beschleunigen, wenn er Papiere sichtete, Entscheidungen traf, Unklarheiten ausräumte. Ruso steht auf und geht zum Tresen, um nach dem bestellten Kaffee zu fragen. Aber auch, denkt Fernando, weil er die schlechten Nachrichten nicht hören will.
    »Schieß los«, sagt Fernando.
    »Es ist schlimmer als befürchtet. Auf der Bank ist praktisch nichts. Peanuts. Ich hab deine Mutter gefragt, aber sie meint, ihr hättet kein Schließfach oder Anteilsscheine oder so was.«
    »Anteilsscheine? Mono und Anteilsscheine?«, sagt Fernando. Er will Mauricio ja nicht verletzen, aber manchmal macht ihn dessen Art schier wahnsinnig. Durch und durch Anwalt. Schreibblock, silberner Füller, nagelneuer Aktenkoffer. Freund der Familie, Freund, der sich kümmert, das schon, aber eben vor allem Anwalt. Also keine Anteilsscheine, kein Schließfach.
    »Wie gesagt, ich hab deine Mutter gefragt, und die hat’s mir bestätigt«, erklärt Mauricio, der die Ironie nicht bemerkt hat.
    »Tja, Mauricio. Der einzige Anteilsschein, den Mono je hatte, war ein Gutschein der Freiwilligen Feuerwehr von Morón.«
    »Okay. Aber ich musste das überprüfen.«
    »Gut. Und weiter?«
    »Nichts weiter. Alles weg. Nichts mehr übrig von der Entschädigung. Dabei war das ein ganz schöner Batzen Geld. Dreihundertsechstausendvierhundertfünfundsiebzig Dollar, um genau zu sein«, fügt Mauricio nach einem kurzen Blick auf seinen Block hinzu. »Hab ich damals ausgehandelt, wie du weißt.«
    Weiß ich, und ich weiß auch noch, dass du ihm dafür ein Honorar in Rechnung gestellt hast, obwohl er seit Kindertagen dein Freund war, denkt Fernando, sagt es aber nicht.
    »Und nun?«, fragt er stattdessen.
    »Was weiß ich. Mono hat das ganze schöne Geld in diesen Spieler gesteckt, diesen …«
    »Pittilanga. Mario Juan Bautista Pittilanga«, hilft Fernando aus, in einem Ton, der keinen Zweifel daran lässt, dass Mauricio den Namen eigentlich kennen sollte. Wenn schon Vorwürfe, dann bitteschön auf beiden Seiten.
    In diesem Augenblick kommt Ruso zurück und führt akrobatische Verrenkungen aus, um sich an den drei Tassen nicht die Finger zu verbrennen.
    »Wäre es nicht einfacher gewesen, den Kellner zu bitten?«, meint Mauricio.
    Sicher wäre das einfacher gewesen, denkt Fernando. Aber einfach, das hat Ruso noch nie gereizt.
    Ruso stellt die Tassen auf den Tisch und setzt sich. »Und? Wie sieht’s aus?«
    »Beschissen«, sagt Fernando rüde, als wäre diese latente, übernächtigte Wut zu irgendetwas nütze.
    3
    Sie passieren die Eingangskontrolle, werden von einem schläfrigen Polizisten abgetastet. Dann steigen sie hinauf zum obersten Rang, wischen den Staub vom Beton und setzen sich. Fernando schätzt, dass auf die Tribüne rund zweitausend Leute passen. Aber es ist Samstag, und es hat den ganzen Vormittag geregnet, also haben sich nur an die zweihundert Leute eingefunden, in kleinen Grüppchen, so wie sie.
    Die Heimmannschaft läuft auf, in grünen Trikots und weißen Hosen.
    »Seht ihr«, sagt Ruso süffisant, »die häufigste Trikotfarbe in Argentinien ist Grün.«
    »Kommst du schon wieder mit dieser alten Leier«, regt sich Mauricio auf. »Wann kapierst du endlich, dass du komplett danebenliegst?«
    Ruso hebt die Hand, um aufzuzählen: »Ferro: grünes Trikot. San Miguel: grünes Trikot. Ituzaingó, Deportivo Merlo, Sarmiento de Junín, und neuerdings« – er legt eine Kunstpause ein – »auch San Martín de 9 de Julio.«
    »Mann, Leute, wir sind dreihundert Kilometer gefahren, um dieses Spiel zu sehen. Könnt ihr euren Streit nicht auf ein andermal verschieben?«, mischt sich Fernando genervt ein.
    Aber Mauricio hat bereits auf Angriff geschaltet. »Rot-Weiß kommt viel öfter vor als Grün«, erwidert er und hebt seinerseits die Hand, um mit den Fingern aufzuzählen. »Independiente, River, Argentinos Juniors, Estudiantes de la Plata, Huracán, Los Andes, San Martín de Tucumán, Huracán de Tres Arroyos
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