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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Autoren: Eduardo Sacheri
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Jahrhunderten«, quetscht Mauricio aus dem rechten Mundwinkel, damit nur Fernando es hört.
    »Onkel Fernando hat Recht«, mischt sich auch Ruso ein. »Manche Sachen sind noch gar nicht gebaut, bei anderen ragen noch Eisenstangen raus.«
    »Und gestrichen muss auch noch alles werden«, ergänzt Mauricio.
    Die Kleine nickt und sieht zum Fenster hinaus, zu den Häuserblocks des Stadtteils General Belgrano.
    »Aber fertig gebaut wird schon, oder?«
    Ruso verflucht innerlich, wie zielsicher Kinder und Frauen den Finger in die Wunde legen können. Und das kleine Persönchen hier vereint beides in sich.
    »Ganz sicher. Fehlt nicht mehr viel.«
    Als sie die Alsina erreichen, parkt Mauricio. Bis zum Stadion ist es noch ein Häuserblock, aber sie haben verabredet, das letzte Stück zu Fuß zu gehen.
    Das Viertel ist wie verwaist.
    »Hier wird der Wagen garantiert geklaut«, sagt Ruso, nur um Mauricio nervös zu machen. »Ich hoffe, du hast eine gute Versicherung.«
    »Eine sehr gute sogar«, spöttelt Fernando.
    Mauricio verkneift sich eine Erwiderung und sieht sich um. Am Kiosk auf der anderen Straßenseite hängen einige Jungs herum und trinken Bier. Er geht zu ihnen und zeigt auf den Wagen.
    »Alles geritzt«, sagt er zufrieden, als er wieder bei den anderen ist.
    »Du spinnst«, sagt Ruso. »Jetzt werden eben die dir deinen Wagen kaputt machen.«
    »Für hundert Pesos passen sie garantiert drauf auf.«
    »Hundert Pesos! Hättest du das gleich gesagt, hätte ich das selber übernommen, Mann.«
    »Du hast einen reichen Onkel, Guada. Dir kann also nichts passieren«, sagt Fernando.
    »Stimmt das, Onkel Mauricio? Hast du wirklich so viel Geld?«
    »Geld hat er genug. Was ihm fehlt, ist Moral«, stichelt Ruso.
    Guadalupe sieht ihn verwundert an. Fernando will ihr schon erklären, dass es ein Scherz ist, aber er überlegt es sich anders. Sie soll es selber lernen. Kinder lernen in null Komma nichts. Wenn seine Nichte einen Computer bedienen kann, dann dürfte es gar kein Problem sein, den primitiven Humor ihrer drei alten Onkel zu verstehen.
    Schweigend gehen sie die Avenida Alsina entlang. Zwanzig Meter vor der nächsten Kreuzung trottet Ruso los, um als Erster am Straßenschild zu sein.
    »Schau mal, Guada, wie die Straße heißt«, sagt Fernando.
    Das Mädchen liest. »Bochini? Wie der Spieler von Independiente?«
    »Der größte Fußballspieler aller Zeiten«, verkündet Mauricio feierlich.
    »Größer als Maradona?«
    Fernando und Mauricio sehen sich an.
    »He! Ich hab euch was gefragt! Besser als Maradona?«, wiederholt Guadalupe.
    »Nein, nicht besser, aber ähnlich gut«, entscheidet Fernando. »Weißt du, welchen Club Maradona gut fand, als er so alt war wie du?«
    Das Mädchen macht noch größere Augen als sowieso schon. »Independiente?«
    Fernando fühlt sich wie ein Großgrundbesitzer, der einer Gruppe von staunenden Verwandten aus der Stadt die Weiten seiner Ländereien zeigt.
    »Genau.«
    Das Mädchen überlegt kurz. »Und wenn ich es genauso mache? Als Kind bin ich für Independiente und als Erwachsene für Boca?«
    Mauricio lacht, während Fernando denkt, dass sie höllisch aufpassen müssen, um mit der Kleinen Schritt zu halten.
    »Langsam«, sagt Ruso, damit Guadalupe nicht einfach so um die Ecke biegt und das Stadion sieht. Es soll ein spezieller Moment werden, der sich ihr ins Gedächtnis brennt. »Noch nicht gucken.«
    Vorsichtshalber legt er ihr eine Hand über die Augen und führt sie langsam die Pasaje Bochini entlang. Guadalupe macht kleine Trippelschritte, um das Terrain zu erkunden. Als hätte sie Angst, sie könnte stolpern, klammert sie sich an Rusos Hand, die so groß ist, dass sie ihr halbes Gesicht bedeckt.
    »Ganz ruhig. Bei mir bist du sicher. So, jetzt bleiben wir stehen. Und …«
    »Warte«, sagt Fernando.
    »Worauf?«, fragt Ruso.
    Fernando antwortet nicht, zeigt nur auf das Mädchen. »Also, mein Engel. Du wirst jetzt gleich das schönste Stadion der Welt sehen.«
    »Okay, Onkel Fernando.«
    »Das erste Stadion aus Beton in ganz Südamerika.«
    »Ja! Darf ich jetzt?«
    »Das jetzt ganz neu ist, aber noch nicht fertig«, fügt Mauricio hinzu.
    »Ja!! Darf ich jetzt endlich gucken??«
    »Das alte war ein bisschen heruntergekommen, deshalb baut der Club ein neues«, fügt Fernando seinerseits hinzu.
    »Ja, Onkel Fernando!!«
    »Und das neue wird noch viel schöner als das alte …«
    »Ich will jetzt endlich gucken!!!«
    »Ta ta ta taaaa …«
    Das Mädchen versucht die Hand
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