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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Autoren: Eduardo Sacheri
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du nicht sagst!«
    »Der Junge hat in der U-17 gespielt.«
    »Na und?«
    »Was glaubst denn du, wonach man sich richtet, Fernando? Sonst könnte ja jeder Depp mitmischen und sich dumm und dämlich verdienen.«
    »Stimmt. Den lebenden Beweis haben wir ja vor uns«, mischt sich Mauricio wieder ein, aber Salvatierra tut so, als hätte er die Beleidigung nicht gehört. »Außerdem war es nicht so, wie ihr denkt. Ich hab dabei keinen Peso verdient.«
    »Wie bitte? Du warst Pittilangas Spielerberater!«, treibt Mauricio ihn weiter in die Enge.
    »Trotzdem! Ich hab keine Kommission für das Geschäft kassiert«, wehrt sich Salvatierra und hebt die Arme, wie um seine Unschuld zu beweisen.
    »Warum hast du’s dann gemacht? Weil du so ein guter Mensch bist, oder was?«
    »Nein, aber so was kommt öfter vor. Du glaubst wohl, jedes Talent ist eine todsichere Geldanlage. Von wegen, auf jeden, der’s schafft, kommen zig andere, die’s nicht schaffen.«
    »Und du hast ihm ausgerechnet einen verkauft, der es nicht geschafft hat!«
    »Wie oft soll ich es noch sagen! Ich hab ihn nicht verkauft! Der Club hat ihn verkauft! Platense! Und jetzt noch mal zum Mitschreiben: Ich hab an dem Deal keinen Peso verdient.«
    Die Unterhaltung kommt ins Stocken, sie drehen sich im Kreis. Es war eben Pech. Pech für ihn und Pech für Pittilanga. Salvatierra hat Pech gehabt, weil er ein Idiot ist, weil er sich über den Tisch hat ziehen lassen und weil er sich mit den falschen Leuten umgeben hat. Und Pittilanga hat Pech gehabt, weil er ein paar Zentimeter zu groß gewachsen ist. Ein paar Tore zu wenig geschossen hat. Weil er vier oder fünf todsichere Chancen versemmelt hat. Und das war’s dann. Davon kann Ruso ein Lied singen. Wie oft hat er sich schon so gefühlt: kurz vorm Ziel gescheitert, weil er nicht rechtzeitig kapiert hat, wo die Fußangeln liegen, die einem das Genick brechen.
    Die drei Freunde lassen Salvatierra stehen und gehen zum Wagen, wortlos, grußlos, ein bisschen, weil es ihnen die Laune verhagelt hat, ein bisschen, weil sie ihn ihren Ärger spüren lassen wollen, obwohl beides – der Ärger und das Spürenlassen – völlig sinnlos sind.
    6
    »Wie geht’s?«, grüßt Fernando matt, schiebt den freien Stuhl nach hinten und setzt sich.
    »Wollen wir ’ ne Kleinigkeit essen?«, fragt Ruso.
    »Ruso, es ist zehn Uhr, und ich hab noch nicht mal mein Frühstück verdaut«, blafft Mauricio ihn an.
    »Wenn du Hunger hast, bestell ruhig was. Warum auch nicht?«, geht Fernando ein bisschen zu heftig dazwischen.
    Fängt ja gut an, denkt Ruso. Seine Freunde haben noch keine zwanzig Worte gewechselt, und schon liegen die beiden sich in den Haaren.
    »Ich komm mir vor wie ein Scheidungskind«, sagt er und erwartet, dass sie wissen wollen, warum. Sie fragen aber nicht, also erklärt er von sich aus: »Mauricio schimpft mich aus, als wäre er meine Mutter, und du lässt mir alles durchgehen, wie der dazugehörige Vater, der mich selten sieht und deswegen ein schlechtes Gewissen hat.«
    »Was weißt du schon von Scheidungseltern?«, schnauzt ihn Mauricio an, dessen Laune sich mit jeder Minute verschlechtert.
    Ruso könnte sich in den Arsch beißen, dass er nicht den Mund gehalten hat. Normalerweise ist Humor der Schlüssel, der Trick, der immer funktioniert. Aber manchmal eben nicht. Am häufigsten geht es bei Mónica schief. Dass es ihm bei seinen Freunden passiert, kommt selten vor. Aber wenn, empfindet er es als Niederlage. Dabei hat er sich fest vorgenommen, alles zu tun, damit die Stimmung nicht kippt. Dafür war er sogar pünktlich, ganz gegen seine Natur, damit Mauricio und Fernando sich ja nicht allein begegnen und in Streit geraten und der womöglich so sehr ausartet, dass das Tischtuch endgültig zerschnitten ist.
    »Also? Was machen wir jetzt?«, fragt Fernando.
    Der Plural ist kein schlechter Anfang. Er lädt zum Dialog ein, vermeidet den Streit. Vorerst. Aber Ruso denkt gar nicht daran zu antworten, weil der Plural nämlich nicht bedeutet, dass seine Meinung gefragt ist. Die anderen rechnen wie selbstverständlich mit seiner Zustimmung, seiner Mithilfe, aber seine Stimme, sein Urteil interessieren sie nicht. Den Dialog, den führen sie unter sich. Was ihn nicht weiter stört, denn nicht am Dialog beteiligt zu sein heißt auch, dem Streit aus dem Weg zu gehen, der auf sie zukommt, ja zurast wie eine Staub aufwirbelnde Herde wilder Tiere.
    Mauricio hält den Blick gesenkt. Er spielt mit seinem Handy herum, klappt es auf, klappt es
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