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Vier Frauen und ein Mord

Vier Frauen und ein Mord

Titel: Vier Frauen und ein Mord
Autoren: Agatha Christie
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alle ermordet.«
    »Nein. Das gebe ich zu.«
    »Also, warum musste dann Mrs McGinty sterben? Halten wir uns an die Tatsachen. Eine ältliche Putzfrau wird ermordet. Ein schüchterner, seltsamer junger Mann wird verhaftet und wegen dieses Mordes verurteilt. Warum wurde James Bentley verhaftet?«
    Spence starrte ihn verwundert an.
    »Die Beweise gegen ihn. Ich habe Ihnen gesagt…«
    »Ja. Beweise. Aber sagen Sie, Spence, waren es wirkliche Beweise oder waren sie fingiert?«
    »Fingiert?«
    »Ja. Nehmen wir einmal an, James Bentley sei unschuldig. Dann bleiben uns zwei Möglichkeiten. Die Beweise wurden fingiert, um ihn zu belasten. Oder er war nur ein unglückliches Opfer widriger Zufälle.«
    Spence dachte nach.
    »Ja, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.«
    »Nichts sagt uns, dass das der Fall ist. Aber wir haben auch keinen Beweis dagegen. Das Geld wurde weggenommen und außerhalb des Hauses an einem leicht zu findenden Ort versteckt. Es tatsächlich in seinem Zimmer zu verstecken, wäre mehr gewesen, als die Polizei geschluckt hätte. Der Mord wurde zu einer Zeit begangen, als Bentley allein spazieren ging, wie er es oft tat. Kam der Blutfleck so auf seinen Ärmel, wie er es vor Gericht erzählte, oder wurde auch der Ärmel ›präpariert‹? Hat jemand Bentley in der Dunkelheit gestreift und einen verräterischen Beweis auf seinen Ärmel geschmiert?«
    »Ich glaube, das geht ein bisschen zu weit, Monsieur Poirot.«
    »Vielleicht, vielleicht. Aber wir müssen weit gehen. Ich glaube, wir müssen in diesem Fall so weit gehen, dass unsere Vorstellungskraft den Weg im Moment noch gar nicht deutlich erkennt… Denn sehen Sie, mon cher Spence, wenn Mrs McGinty nur eine gewöhnliche Putzfrau ist – dann muss der Mörder ungewöhnlich sein. Ja – das ist eine klare Schlussfolgerung. Interessant bei diesem Fall ist der Mörder, nicht die Ermordete. Das ist bei den meisten Verbrechen anders. Gewöhnlich steht die Persönlichkeit des Opfers im Mittelpunkt. Gewöhnlich interessiere ich mich für die schweigsamen Toten. Ihren Hass, ihre Liebe, ihre Taten. Und wenn man das Opfer wirklich kennt, dann spricht das Opfer, und die toten Lippen formen einen Namen – den Namen, den man wissen will. Aber hier«, fuhr Poirot fort, »haben wir es mit dem Gegenteil zu tun. Wie starb Mrs McGinty? Warum starb sie? Die Antwort finden wir nicht, wenn wir das Leben von Mrs McGinty untersuchen. Die Antwort liegt in der Persönlichkeit des Mörders. Sind wir da einer Meinung?«
    »Ich glaube«, sagte Kommissar Spence vorsichtig.
    »Jemand, der etwas wollte – aber was? Mrs McGinty niederschlagen? Oder James Bentley?«
    Der Kommissar äußerte ein zweifelndes »Hmmm«.
    »Ja – ja, das ist einer der ersten. Punkte, die geklärt werden müssen. Wer ist das wirkliche Opfer? Wer sollte das Opfer sein?«
    Spence sagte ungläubig: »Sie glauben wirklich, dass jemand eine völlig harmlose alte Frau erschlägt, damit jemand anderer wegen Mordes aufgehängt wird?«
    »Es heißt, dass man keine Omelette machen kann, ohne Eier zu zerschlagen. Mrs McGinty könnte das Ei sein, und James Bentley ist die Omelette. Sagen Sie mir jetzt also, was Sie über James Bentley wissen.«
    »Nicht viel. Sein Vater war Arzt – starb, als Bentley neun Jahre alt war. Er ging in eine der kleineren Schulen, war untauglich zum Militärdienst – etwas schwach auf der Brust –, arbeitete während des Krieges in einem Ministerium und wohnte bei seiner herrschsüchtigen Mutter.«
    »Nun«, sagte Poirot, »da sind doch schon einige Möglichkeiten. Mehr als in der Lebensgeschichte von Mrs McGinty.«
    »Glauben Sie ernsthaft, was Sie da sagen?«
    »Nein. Vorläufig glaube ich noch gar nichts. Aber ich denke, dass wir zwei ganz verschiedene Spuren verfolgen müssen und dass wir uns bald entscheiden müssen, welche davon die richtige ist. Als Erstes möchte ich eine Unterredung mit James Bentley.«
    »Das lässt sich machen. Ich werde mich mit seinen Anwälten in Verbindung setzen.«
    »Danach, abhängig von dem Erfolg der Unterredung, wenn sie denn einen hat – ich hege da nicht viel Hoffnung –, fahre ich nach Broadhinny. Dort werde ich mit Hilfe Ihrer Notizen so schnell wie möglich alle Schritte nachvollziehen, die Sie schon vor mir getan haben.«
    »Falls mir etwas entgangen sein sollte«, sagte Spence mit einem etwas mühsamen Lächeln.
    »Ich möchte lieber sagen, falls ich etwas in einem anderen Licht sehe als Sie. Menschliche Reaktionen sind verschieden, und
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