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Vier Frauen und ein Mord

Vier Frauen und ein Mord

Titel: Vier Frauen und ein Mord
Autoren: Agatha Christie
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menschliche Erfahrungen ebenfalls. Ich möchte vor allem eine der beiden Spuren ausscheiden, die ich eben erwähnt habe. Und die Spur Nummer eins – die Mrs-McGinty-Spur – auszuscheiden, wird offensichtlich leichter sein, als sich an die Spur Nummer zwei heranzumachen. Nun, wo kann ich in Broadhinny wohnen? Gibt es dort ein Gasthaus mit bescheidenem Komfort?«
    »Da sind die ›Drei Enten‹, aber die nehmen keine Gäste. Dann ist da das ›Lamm‹ in Cullavon, fünf Kilometer weit entfernt – und dann ist da eine Art Pension, es ist mehr ein verfallendes Landhaus, in dem das junge Ehepaar, dem es gehört, zahlende Gäste aufnimmt. Ich glaube nicht, dass es sehr behaglich ist.«
    Hercule Poirot schloss gottergeben die Augen.
    »Wenn ich leide, dann leide ich eben«, murmelte er. »Es muss sein.«

4
     
    V oll tiefer Abneigung sah Hercule Poirot sich in dem Zimmer um. Es war ein Zimmer mit schönen Proportionen, aber damit war seine Schönheit auch schon zu Ende. Poirot zog eine beredte Grimasse, als er misstrauisch mit dem Finger über das oberste Brett des Bücherregals fuhr. Wie er vermutet hatte – Staub! Er setzte sich auf das Sofa, und dessen lädierte Sprungfedern sackten seufzend unter ihm zusammen. Die beiden verblichenen Lehnstühle waren, wie er wusste, nicht besser. Ein großer, böse dreinblickender Hund, den Poirot für räudig hielt, knurrte ihn drohend von der vierten, halbwegs bequemen Sitzgelegenheit an.
    Das Zimmer war groß und hatte eine schöne, aber verblichene Tapete. Neben ein paar guten Ölgemälden hingen Stahlstiche von unerfreulichen Gegenständen schief an den Wänden. Die Bezüge der Sessel waren verblichen und schmutzig, der Teppich war ziemlich ramponiert und ohnedies nie schön gewesen. Eine Menge Nippes war planlos im Zimmer verstreut. Die Tische wackelten gefährlich. Ein Fenster stand auf, und offenbar konnte keine Macht der Erde es wieder schließen. Die Tür, die im Augenblick geschlossen war, würde es wohl nicht lange bleiben. Der Drücker hielt nicht, und bei jedem Windstoß flog sie auf, und der kalte Wind wirbelte durch den Raum.
    »Ich leide«, sagte Hercule Poirot und tat sich sehr leid dabei, »ja, ich leide.«
    Die Tür flog auf, und der Wind und Mrs Summerhayes kamen gemeinsam herein. Sie sah sich im Zimmer um, rief irgendjemandem draußen »Was?« zu und ging wieder hinaus.
    Mrs Summerhayes hatte rotes Haar und ein reizvoll sommersprossiges Gesicht. Gewöhnlich war sie sehr zerstreut und setzte in diesem Zustand etwas ab oder suchte etwas.
    Hercule Poirot sprang auf und schloss die Tür.
    Gleich darauf ging sie wieder auf, und Mrs Summerhayes erschien erneut. Diesmal trug sie eine große Emailschüssel und ein Messer.
    Aus einiger Entfernung rief eine Männerstimme:
    »Maureen, die Katze hat schon wieder erbrochen. Was soll ich tun?«
    Mrs Summerhayes rief: »Ich komme schon, Liebster. Lass alles, wie es ist.«
    Sie stellte Schüssel und Messer ab und ging hinaus.
    Poirot stand wieder auf, schloss die Tür und sagte: »Ganz entschieden, ich leide!«
    Ein Wagen fuhr vor, und der große Hund sprang von seinem Sessel und ließ ein Crescendo von Gebell hören. Er sprang auf einen kleinen Tisch am Fenster, und der Tisch brach krachend zusammen.
    »Enfin«, sagte Hercule Poirot. »C’est insuppor t able!«
    Die Tür flog auf, der Wind sauste durchs Zimmer, der Hund lief, noch immer bellend, hinaus. Dann hörte man Maureens Stimme ganz laut und deutlich.
    »Johnnie, warum zum Teufel hast du die Hintertür offen gelassen! Diese verdammten Hennen sind in der Speisekammer!«
    »Und dafür«, sagte Hercule Poirot erbittert, »zahle ich sieben Guineen die Woche!«
    Die Tür flog krachend zu. Durch das Fenster drang das laute Gackern zorniger Hühner.
    Dann ging die Tür wieder auf, Maureen Summerhayes kam herein und stürzte sich mit einem Freudenschrei auf die Schüssel.
    »Konnte mich gar nicht mehr erinnern, wo ich die gelassen hatte. Würde es Ihnen viel ausmachen, Mr Hrhmmm, ich meine, würde es Sie sehr stören, wenn ich die Bohnen hier schneide? In der Küche riecht es so grässlich.«
    »Madame, ich wäre hocherfreut.«
    Das war vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck, aber er kam der Wahrheit ziemlich nahe. Es war das erste Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden, dass eine Aussicht auf eine Unterhaltung von mehr als sechs Sekunden Dauer bestand.
    Mrs Summerhayes setzte sich in einen Sessel und begann Bohnen zu putzen.
    »Ich hoffe wirklich«, sagte sie,
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