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Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Titel: Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
Autoren: Tommy Krappweis , Heinz J. Bründl
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was die nicht hatten. Geld hatten alle mehr als genug, aber eine Westernstadt und Hunderte Indianertipis – das hatte nur er. Entsprechend durften seine Freunde und Bekannten das Gelände auch nur in seiner Begleitung betreten, vorausgesetzt, sie hatten originalgetreue Kostüme. Ich weiß noch, dass er nicht einmal seinen eigenen Bruder auf den Platz ließ, bevor der sich nicht ein Trapperhemd und ein Bowiemesser gekauft hatte.
    Bei dir.
    Logisch, bei mir.
    Traurigerweise starb der Mann dann zwischen zwei Councils, sonst hätte No Name City höchstwahrscheinlich nicht in Poing, sondern in Ising am Chiemsee gestanden.

    Insgesamt lief das Ganze damals noch recht gesittet ab, vor allem wenn man bedenkt, dass von den zweitausend Besuchern bestimmt ein Drittel mit scharfen Waffen im Holster durch die Gegend lief. Wäre irgendeine brenzlige Situation entstanden, hätte das natürlich schnell eskalieren können. Vermutlich war allen bewusst, dass echte Leichen auf der Mainstreet keinen sonderlich krönenden Abschluss eines Vereinstreffens darstellen würden, und so passierte in der Tat rein gar nichts.

    Was soll ich sagen, heute ist dieses Council 84 so etwas wie eine Legende. Bis dahin hatte noch niemand so einen Aufwand betrieben.
    Diese Mühe und die Liebe zum Detail waren allerdings nicht ansatzweise kostendeckend zu betreiben. Es waren zwar tatsächlich zweitausend Menschen da, aber natürlich nur Vereinsmitglieder. All das war sozusagen eine gigantische »geschlossene Veranstaltung« für geladene Gäste. Also wiederholten wir das Ganze ein Jahr später und hofften ehrlich gesagt auch darauf, ein bisschen was von den Verlusten wieder reinzuholen.

    Spätestens beim zweiten Mal bemerkte ich, dass unser Spektakel für die Außenstehenden, die Anwohner, die Touristen und so weiter, unheimlich attraktiv war. Nicht nur, weil sie nicht aufs Gelände durften, sondern schlichtweg weil auch jemand, der nicht in einem Verein organisiert ist, Spaß und Freude am Thema »Western & Indianer« haben kann.
    In meinem Kopf wuchs also die Idee, eine Westernstadt zu bauen, die jeder betreten durfte. Zunächst dachte ich gar nicht an einen Freizeitpark, sondern einfach an eine begehbare Goldgräberstadt. Nur fehlten mir dazu natürlich die finanziellen Mittel. Keines der Councils hatte sich so gerechnet, dass ich davon ein derartiges Investment hätte stemmen können. Ehrlich gesagt, sogar ganz im Gegenteil. Also setzte ich kurzerhand ein skurriles Inserat in die Zeitung. Es lautete: »Saloon zu verkaufen«…
    »Saloon zu verkaufen«? Wer kauft sich denn einen Saloon?
    Der, der sich daraufhin gemeldet hat, kaufte nicht nur den Saloon, sondern sogar auch noch viele andere Gebäude.
    Ich sag schon nix mehr.
    Glaub ich dir nicht.
    Der Immobilienhändler Wilhelm P. hatte zwei seiner Geschäftsführer auf das Gelände geschickt und …
    … die durften dann ohne Kostüm auf den Platz?
    Nix da. Die haben wir natürlich vorher auch in originalgetreue Kostüme geschossen. Du wolltest aber eigentlich auch nix mehr sagen.
    Nicht möglich.
    Die beiden Herren waren schließlich so begeistert, dass dieser Wilhelm P. schließlich eine ganze Westernstadt kaufte, ohne sie vorher selbst einmal gesehen zu haben, geschweige denn ein Gelände zu besitzen, auf dem er seine Errungenschaft aufstellen konnte.

    Wenig später aber stellte sich heraus, dass der Baugrund eines geplanten Hotels in Miesbach zumindest vorübergehend geeignet war, um so etwas wie einen Probelauf zu starten. Also stellten wir dort, wo später das Hotel Bayerischer Hof Miesbach stand, unsere Kulissen auf. Und das, was dann folgte, war wirklich »Wilder Westen«.

    Alles war ganz genau so, wie man es sich vorstellt. Nicht nur die Gebäude und die Ausstattung, auch das Gefühl, die Atmosphäre und natürlich der unvermeidliche Schlamm. Authentischer konnte man sich zumindest in diesem Land nicht in den Wilden Westen hineinversetzen. Außerdem machte es so auch geschäftlich endlich Sinn. Wir schenkten pro Wochenende etwa 100 Hektoliter Bier aus, und die Brauereien waren einfach nur baff.
    Aber es gab dann doch auch ein paar Schwierigkeiten, oder?
    Ja, schon klar. Da hat’s jedes Wochenende geknallt. Aber nicht so wie heute, sondern …
    Mehr so »nett«?
    Ja, die wollten rankeln.
    Rankeln??
    Ja, rankeln. Aber ich verstand damals keinen Spaß und hab …
    … mitgerankelt?
    Ja, ich hab mitgerankelt.
    Und da kam dann nicht die Polizei?
    Doch schon, aber die hatten ja ihre Waffen
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