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Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
Autoren: Ephraim Kishon
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Unternehmen »Letztes Hemd«
     
     
    Ein informatives Vorwort, handelnd von der unwiderstehlichen Reiselust des israelischen Bürgers, sowie von den Listen und Tücken, mit denen die Behörden sich dieser Massenbewegung entgegenstemmen. - Der Autor begeht einen verhängnisvollen Fehler und zieht sich die unauslöschliche Verachtung seiner Mitbürger zu. - Letzte Vorbereitungen vor der Abreise. Begegnung mit einer jüdischen Eule namens Lipschitz.
     
    Auslandsreisen sind ein beliebter Zeitvertreib in aller Welt. In Israel ist der Zeitvertreib zur Besessenheit ausgeartet. Das hat viele Gründe. Vor allem ist es in unsrem Land sehr heiß, beinahe so heiß wie in New York an einem milden Frühlingstag, also unerträglich heiß. Oft hat man das Gefühl, kein Mensch mehr zu sein, sondern eine ausgedörrte Pflaume. Ein israelisches Sprichwort lautet: »Wenn du deinem Paßbild ähnlich zu sehen beginnst, ist es höchste Zeit wegzufahren.« Die Israelis besitzen größeren Anspruch auf Auslandsreisen als irgendein anderes Volk, schon deshalb, weil sie zum überwiegenden Teil nicht im Lande geboren wurden, sondern es mehr oder weniger freiwillig zu ihrem Heimatland erkoren haben. Daher ist es nur natürlich, wenn sie von Zeit zu Zeit das Bedürfnis überkommt, ihr Herkunftsland wiederzusehen, Vergleiche zu ziehen und festzustellen, ob sie eine weise Wahl getroffen haben. Außerdem gibt es in unsrem Miniaturstaat keinen Winkel mehr, den wir nicht kennen. Wenn ein wagemutiger Pläneschmied ankündigt, daß er morgen das ganze Land der Länge und Breite nach durchforschen wird, entgegnet man ihm beinahe mechanisch: »Und was machen Sie am Nachmittag?«
    Hauptgrund für die unbezähmbare Reiselust der Israelis ist zweifellos der, daß die Regierung dagegen ist.
    Die offizielle Haltung wurzelt in einer Reihe von Erwägungen sowohl spiritueller wie praktischer Art. Erstens fragt der gesunde jüdische Menschenverstand: »Wozu überhaupt reisen? Wer braucht das? Hier ist es vielleicht nicht schön genug?« Zweitens wird in der Bibel - die seltsamerweise fast immer auf Seiten der Regierung steht - ausdrücklich mitgeteilt, daß Kain nach dem bekannten Zwischenfall mit seinem Bruder Abel von Gott dem Herrn mit dem Großen Touristen-Fluch belegt wurde: Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden... Und drittens hält die Regierung das Reisen nur dann für wünschenswert, wenn es sich auf einer Einbahnstraße vollzieht, und zwar auf der nach Israel führenden. In jeder ändern Richtung ist es verwerflich. Die Regierung krümmt sich schon bei dem bloßen Gedanken, daß ein israelischer Bürger das bißchen Geld, das er im alttestamentarischen Schweiße seines Angesichts verdient hat, irgendwo anders ausgeben könnte, vielleicht gar in einem jener Länder, aus denen es durch die aufopfernde Sammeltätigkeit jüdischer Organisationen nach Israel gekommen ist. Das wäre ja gerade so, als wollte sich ein Schnorrer für die milden Gaben, die er bei seinem Rundgang durch ein Kaffeehaus eingesammelt hat, an Ort und Stelle einen Kaffee bestellen...
    Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, daß die Regierung jeden potentiellen Auslandsreisenden mit scheelem Blick betrachtet.
    »Also ins Ausland wollen Sie fahren«, brummt sie mißmutig. »Nun ja. Warum nicht. Wir leben in einem freien Land. Wenn Sie sich nicht genieren, das auszunützen, dann fahren Sie eben. Und dann knöpfen wir Ihnen eine so hohe Ausreisegebühr ab, daß Sie Ihr letztes Hemd verkaufen müssen, um sie zu bezahlen.«
    Damit beginnt, kaum daß die Reisesaison einsetzt, das Unternehmen »Letztes Hemd«. Zahllose Israelis beteiligen sich daran, während Geheimagenten der hintergangenen Regierung alle Fremdenverkehrsgebiete des Erdballs überwachen und Warnungen für die Verräter aus Israel zurücklassen. Man ist nirgends mehr sicher. Selbst auf einer Säule der Akropolis wurde vor kurzem eine Inschrift entdeckt, die in wohlgeformten hebräischen Lettern besagte:
     
    »WAREN SIE SCHON IN TIBERIAS, SIE SCHMOCK?«
     
    Zur Steuer der Wahrheit muß jedoch festgestellt werden, daß aus rein technischen Gründen (unter denen der Mangel an geeigneten Massentransportmitteln besonders ins Gewicht fällt) niemals die ganze Bevölkerung Israels während der Sommermonate das Land verlassen kann. Im Gegenteil spielen diejenigen, denen das glückt, die beklagenswerte Rolle einer verfolgten Minderheit.
    Ich wurde dieses Phänomens zum erstenmal gewahr, als ich unsrem Wohnungsnachbarn,
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