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Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Titel: Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
Autoren: Tommy Krappweis , Heinz J. Bründl
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älteres Ehepaar vorbeikam. Sie schauten sich lange den Schriftzug an, und irgendwann fragte er dann seine Frau: »Ja, was wird jetzt des?« Daraufhin las sie – natürlich deutsch ausgesprochen – vor: »Hudsons Bai Indian Traading Post.« Und er nickte und sagte: »Aha, ein Postamt.«
    Das war damals schon alles recht ungewöhnlich für München – aber eben auch recht erfolgreich. Und so konnte ich bald meinen ursprünglichen Beruf an den Nagel hängen und mich nur noch dem Handel mit Wildwest- und Indianermaterial widmen. Mein Sohn schrieb daraufhin in einem Schulaufsatz: »Mein Vater ist Indianerhändler.« Und ich durfte mal wieder in der Schule antanzen.
    In einem anderen Aufsatz schrieb mein Sohn, dass er auf einem Berg irgendwo in Frankreich als Trapper verkleidet zusammen mit mehreren Indianern gecampt hätte. Dort sei ihm nachts ein Wiesel über die Hände gelaufen, und außerdem habe es auf dem Berg gespukt. Daraufhin erteilte ihm die Lehrerin eine Sechs und zitierte mich wieder einmal zu sich, weil das Thema nicht »Fantasiegeschichte« gewesen sei, sondern »Meine Ferien mit der Familie«. Als ich ihr dann erklärte, dass Christian nichts als die Wahrheit aufgeschrieben und noch ein paar Details aus meinem Beruf hinzugefügt hatte, musste ich nie wieder in die Schule. Vielleicht hatte sie Angst.

    Heute gibt es ja viele Familien, die zusammen »Reenactment« als Hobby betreiben, egal ob als Cowboys, Ritter oder Wikinger. Damals war das nicht nur ungewöhnlich, sondern oft auch irgendwie verdächtig.

    Im Cowboy-Club war am Wochenende immer Remmidemmi und eine Mordsgaudi, aber ich wollte tiefer in die Materie einsteigen.
    In der Bibliothek des Clubs fand ich das berühmte Buch von Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied über seine Reise 1832 nach Nordamerika. Also zu einer Zeit, als die Indianerstämme noch weitestgehend frei und ungebunden lebten. Sein Bericht faszinierte mich so sehr, dass ich im Jahr 1974 zum ersten Mal selbst nach Amerika reiste, um die Stationen von Prinz Maximilians Reise zu besuchen. Gleichzeitig war das auch der Beginn meiner Sammlerleidenschaft für Originalstücke der Indianer.
    Da man diesen Stücken in den Siebzigern noch keine sonderliche Bedeutung beimaß, war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es sich auch um Originale handelte. Erst viel später erzielten Kunstobjekte oder Ausrüstungsgegenstände dann wahnwitzige Preise in schwindelnden Höhen. Und damit hielten natürlich auch die Fälschungen Einzug in das Geschäft. Davon war man damals noch weitestgehend verschont.

    Manche Originale verkaufte ich in meiner Trading Post in München, andere behielt ich. Aber das Hauptgeschäft war nach wie vor …
    … Glasperlen für die Westernfans.
    Na ja, eher für die Indianerhobbyisten.
    Es gab in Deutschland damals etwa 300 Vereine mit Schwerpunkten unter anderem in Köln und Freiburg. Und einmal im Jahr zu Pfingsten fand das sogenannte »Indian Council« statt, zu dem Cowboys, Indianer und Trapper aus ganz Deutschland anreisten. Ich hatte eine mobile »Trading Post« und machte dort immer ein recht gutes Geschäft.
    Nun war es so, dass das Council jedes Jahr von einem anderen Verein ausgerichtet wurde, und wir Münchner wollten eben etwas Besonderes machen.

    Und damit nahm sozusagen das Schicksal seinen Lauf …

Kapitel 3: Das erste Council
oder: Wildwest am Chiemsee
    Von Heinz Bründl
    I m ersten Jahr, 1984, waren wir mit unserem Council in Ising am Chiemsee. Und als die Clubs dann aus ganz Deutschland anreisten, fielen den Leuten natürlich die Augen aus dem Kopf: Sie standen auf der Mainstreet einer Westernstadt, mit Blick auf einen Platz, auf dem sich nach und nach über 300 Indianerzelte sammelten.
    Man kann davon ausgehen, dass bis dahin auch in Amerika noch nie so viele Tipis auf einem Haufen versammelt waren wie damals im bayrischen Ising. Wir hatten die Kulissen schon damals sehr originalgetreu gestaltet und man darf nicht vergessen, dass damals auch die Goldsucherstädte ähnlich aus dem Boden gestampft wurden. Mein Stiefvater war Zimmermannsmeister, und wir hatten das alles mit zwanzig Mann aufgebaut, inklusive Deko, Requisiten, Pferden und …
    … und Matsch.
    Und wie. Auf der Mainstreet versanken wir teilweise bis über die Knöchel im Schlamm.
    Sehr originalgetreu.
    Sehr.
    Das Gelände gehörte einem der größten Großgrundbesitzer am Chiemsee. Er war ein riesiger Westernfan und hatte einen Mordsspaß, seinem Freundeskreis etwas zu präsentieren,
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