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Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Titel: Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
Autoren: Tommy Krappweis , Heinz J. Bründl
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ungewöhnlicher Gesichter und Gestalten auf so kleinem Raum gesehen. Der hakennasige Halbindianer, der Sheriff mit dem mächtigen Schnauzbart, der Totengräber mit einem Gesicht, als hätte ihn während der Zahn-OP ein Lastwagen überfahren. Alles, was man in den Lucky-Luke-Comics gezeichnet vor sich sah, lief hier mehr oder weniger lebendig herum und verkörperte all diese Klischees so perfekt, dass zu keiner Sekunde der Verdacht kam, dies alles wäre nur gespielt. Was vermutlich daran lag, dass hier eben niemand spielte. Zumindest nicht so, wie ich das aus dem Schultheater kannte. Diese Leute verkörperten das, was sie hier darstellten, so sehr, dass sie vermutlich außerhalb von No Name City mehr spielen mussten, um halbwegs den Eindruck normaler Staatsbürger zu erwecken. Hier auf dem Gelände dieses ungewöhnlichen Freizeitparks waren diese Menschen ganz bei sich, authentisch, wie einem überdrehten Spaghetti-Western entsprungen und trotzdem einfach »echt«.

    Dass ich nur zwei Jahre später einer von ihnen sein sollte, ahnte ich damals nicht.

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    Dieses Buch entstand zunächst in Form eines mehrtägigen Gesprächs zwischen dem Initiator, Erbauer und Ausstatter von No Name City namens Heinz Bründl und mir. Gemeinsam tauschten wir Erinnerungen aus, Heinz erzählte mir, wie alles begann, lange bevor ich zu der Truppe stieß, und wir versuchten zusammen, ein paar der verrücktesten Geschichten zu rekonstruieren. Daraus wurde dann eine etwa tausendseitige Abschrift angefertigt, die ich auf den nun folgenden deutlich weniger Seiten versucht habe, so zusammenzufassen, dass man es flüssig lesen kann.

    Dieses Buch ist ein etwas ungewöhnliches Experiment, von dem ich hoffe, dass Sie es genauso genießen werden wie wir. Manche Geschichten erzähle ich, und andere erzählt der Heinz. Die Kommentare des jeweils anderen habe ich fettgedruckt eingefügt. Manchmal waren wir auch beide vonnöten, um die Anekdoten zusammenzuklauben.

    Viel Spaß mit den Erinnerungen an eine Zeit, die mir heute wie ein seltsamer, staubiger Traum vorkommt.

    Tommy Krappweis
    November 2012

Kapitel 1: »Dein depperter Hut …«
oder: Wie ich zum Cowboy wurde
    von Tommy Krappweis
    I ch war etwa achtzehn oder neunzehn Jahre alt, als ich meine erste eigene Wohnung bezog. Die Miete war kein Problem, denn ich hatte mir ausgerechnet, dass ich nur einmal pro Woche in der Münchner Fußgängerzone Straßenmusik machen musste und zusätzlich an jedem Wochenende einen Auftritt mit meiner Band brauchte, um locker alle laufenden Kosten zu decken. Easy-peasy.

    Der erste Monat verging wie im Flug, ich hatte viermal in der Fußgängerzone gespielt – öfter war auch nicht erlaubt –, dabei richtig gut verdient und immerhin einen Gig mit der Band gehabt. Geld hatte ich irgendwie trotzdem keins.

    Der zweite Monat verging noch schneller, ich hatte wieder wöchentlich einmal alte Rock-’n’-Roll-Songs zur Gitarre quer über den Marienplatz geplärrt, diesmal sogar zweimal mit der Band gespielt und am Ende des Monats 100 DM Schulden bei unserem Schlagzeuger.
    Im dritten Monat wurde mir langsam klar, dass irgendetwas an meiner Rechnung nicht stimmte. Die Antwort war einfach: Alles stimmte nicht. Was ich verdient hatte, ging drauf für Essen, U-Bahn-Fahrkarten und Gitarrensaiten. Miete hatte ich noch keine überwiesen, und die Chancen standen schlecht, dass sich dieser Zustand bessern würde. Verschlechtern ja, verbessern nein.

    Im vierten Monat schließlich beschloss die Vermieterin, mit mir ein ernstes Wort zu reden. Ich wäre natürlich bereit gewesen, jeder Person auf diesem Erdenrund irgendwas von einem reichen Onkel aus Liechtenstein zu erzählen, der mir demnächst all seine Reichtümer überweisen würde, nur nicht dieser. Denn die Vermieterin war meine eigene Mutter. (Hier dräuenden Tusch einsetzen.)

    »Sohn …«, hub sie an zu sprechen, teilte das Brot, gab mir zu Essen und sprach: »Sohn, warum gehst du keiner Arbeit nach.«
    »Mutter …«, sprach ich, nahm das Brot, schlang es gierig hinunter, hub an zu antworten, wurde jedoch sofort unterbrochen. »Da, schau«, resolutete sie mir dazwischen und knallte mir den Stadtanzeiger vor die Nase. Ich weiß noch wie heute, dass die Stellenanzeigen bereits aufgeschlagen und passende Jobs grün eingekringelt waren. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich bereits irgendwo Kartons an einem Fließband füllen.
    Ein Blick genügte, und ich wusste, dass keines dieser Angebote die Dienste eines
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