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Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Titel: Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
Autoren: Tommy Krappweis , Heinz J. Bründl
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Straßenmusikanten oder Leadsängers erforderte. Ich hatte zwar auch schon ein paar Mal fürs Fernsehen als Darsteller und kurioserweise auch als mein eigenes Stuntdouble gearbeitet, in Hörspielen gesprochen und ein bisschen Theater gespielt, aber selbst diese weiträumigen Betätigungsfelder fanden sich in den Anforderungen der diversen Jobofferten nicht wieder.

    Wir diskutierten ein wenig über das Spannungsfeld von Realität und Lebenslüge und über die Tatsache, dass ich kurz vor Einzug in die eigenen vier Wände noch meinen gutbezahlten Job in der Tonträgerabteilung vom Hugendubel gekündigt hatte. Damit hatte ich mich selbst positiv unter Druck setzen wollen, endlich die Musikkarriere zu starten. Der Druck war da, aber das positive Element ließ auf sich warten.
    Es ging eine Weile hin und her, und schließlich sprach meine Mutter den Satz aus, der meine kommenden Jahre – und wenn man so will mein gesamtes folgendes Leben – maßgeblich beeinflussen sollte:

    »Du hast doch den depperten Hut, gehst halt nach No Name City.«

    In der Tat trug ich schon seit der siebten Klasse Realschule einen Cowboyhut und hatte mir dafür auch schon ein paar saubere Fressepolituren abgeholt. Denn damals gab es in unserem sozialen Brennpunkt mit dem hübschen Namen Neuperlach nur drei Arten von Jugendlichen: Rapper, Popper oder Heavys. Wer außerhalb dieser Kategorien versuchte, zu existieren oder gar irgendeine Art von Individualität zur Schau zu tragen, hatte es mitunter verdammt schwer. Da ich aber erstens einen Dickkopf hatte, mit dem man Wände einschlagen konnte, und zweitens durch mein langjähriges Judotraining nicht ganz wehrlos war, hatte ich am Ende triumphiert, und man ließ mich als eine Art Sonderling durchgehen. Außerdem spielte ich ab der achten Klasse in der Schulband und durfte trotz meiner episch beschissenen Zensuren mehrfach das Amt des Schülersprechers bekleiden, was es mir ermöglichte, noch weniger Zeit in der Klasse und noch mehr Zeit mit Planungen für die Faschingsfeier und diverse Aktionstage zu verdödeln. Und das alles und noch mehr absolvierte ich mit ebendieser Kopfbedeckung, die meine Mutter schon seit Jahren »den depperten Hut« nannte. Diesen trug ich also auf meinem Haupt, als ich mit der S-Bahn schnurstracks raus nach Poing in die Westernstadt No Name City fuhr.
    Und plötzlich passte der Hut. Und ich auch.
    Na ja, a bissl sehr normal hast du schon ausgeschaut.
    Das war nicht so günstig …
    Nein, das war nicht so günstig.
    Aber du hast trotzdem gesagt, ich kann übermorgen anfangen.
    Weil mir grad wer abgesagt hatte und wir übermorgen die Saison eröffnen wollten.
    Ach so, drum.
    Ja, drum.
    Vor mir stand ein Mann, der mich nicht nur um einen Kopf überragte, sondern auch ansonsten deutlich mehr Schatten auf die staubige Mainstreet warf als ich. Sein Name war Heinz Bründl, und er war hier der Chef. Wie ich bald erfuhr, hatte dieser Mann mit der Statur eines Ex-Boxers, dem Bauch eines Metzgers und dem Schnauzbart eines Bankräubers unter anderem gearbeitet als Boxer, Metzger und Bankräuber. Letzteres Gott sei Dank nur innerhalb der Stuntshow von No Name City. Allerdings kamen auch die anderen beiden Berufsbereiche immer mal wieder zur Anwendung – doch davon später mehr vom Heinz persönlich.
    Ich zählte also auf, was ich bisher so gemacht hatte, der Heinz brummte irgendwas in tiefstem Bayrisch, nickte, und ich war eingestellt. Und das zu einem Gehalt, das mir im Vergleich zu meinen bisherigen Jobs geradezu unglaublich vorkam. So viel Geld für so viel Spaß? Mit einem dümmlichen Grinsen im Gesicht unterschrieb ich den hingehaltenen Wisch, jemand machte ein Foto von mir – auf dem ich bitte etwas bankräuberischer dreinschauen sollte … noch ein bisschen mehr … noch ein bisschen … na ja, passt schon – und ich war ab sofort ein Cowboy.
    Dann ist aber ein paar Tage später gleich deine Mutter zu mir gekommen.
    Bitte was?! Davon weiß ich gar nix!
    Ja mei, sie wollt halt wissen, ob das nicht gefährlich wär und ob dir da auch nichts passiert und so. Und ich hab gesagt: Naa, selbstverständlich nicht.
    Ja, und dann kam gleich am ersten Wochenende eine Busladung voll betrunkener Österreicher.
    Richtig. Aber dir is’ ja nix passiert.
    Nix, was nicht wieder verheilt ist.
    Genau.
    Ich möchte nicht unerwähnt lassen, was für ein Depp ich war. Nicht wegen der Unterschrift oder weil ich den Job angenommen hatte. Nein, das war die prägende richtige Entscheidung
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