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Vielleicht Esther

Vielleicht Esther

Titel: Vielleicht Esther
Autoren: Katja Petrowskaja
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/ Das Licht ist sinnlos trüb und bleich. / Geh weiter auf der Lebensstrecke – Kein Ausweg. / Alles bleibt sich gleich. / Du stirbst – beginnst ein neues Mal. / Und wieder, eh du dir's gedacht: / Weg, kaltes Kräuseln im Kanal, / Laterne, Apotheke,
Nacht.« Jetzt ist mir rätselhaft, warum wir nie gefragt haben, wer dieser liebe Knecht ist und warum wir damals nicht begriffen haben, dass auch die zahlreichen Prinzen mit ihren Schimmeln und Schlössern sich aus den deutschen Märchen in unsere Kindheit eingeschlichen haben.
     
    Als ich wieder zur Kreuzung Institutskaja/Liebknecht ging, in Richtung Laterne, Apotheke und des Hauses, in dem Ozjel starb und ich geboren wurde, dachte ich daran, dass in unserem Haus, wie mir meine Mutter erzählte, noch viele Jahre nach dem Krieg schwarze Nummern auf den Türen zu sehen waren, in der Okkupationszeit war dort ein militärischer Stab der Deutschen einquartiert, aber die Nachbarn sagten, nein, es sei die ukrainische Polizei gewesen, und sosehr man sich auch mühte, die schwarze Farbe kriegte man nicht weg. Obwohl dort niemand mehr lebte aus der damaligen Zeit, nicht einmal aus meiner Zeit, und es inzwischen Klimaanlagen gab und verglaste Balkone, zog es mich dorthin. Als ich gegenüber dem Haus stand, das ich zu meinem erklären konnte, und überlegte, ob wir zu der Zeit, als ich geboren wurde, im zweiten oder im dritten Stock gewohnt hatten, kam eine alte Dame aus der Apotheke. Sie lächelte, und ich lächelte zurück, sie war weiß gekleidet, trug einen langen weißen Mantel und weiße Schuhe, auch ihre Haare waren weiß und leuchteten in einem leichten weißen Licht an diesem vernebelten Tag. Wir standen eine lange Minute nebeneinander an der Kreuzung, bei uns haben die Ampeln Sekundenanzeigen, nach dreißig Sekunden lächelte sie immer noch, sie schaute zu mir, als hätte sie mich erkannt und wäre sich sicher, dass ich sie niemals erkennen würde, und
dann sagte sie – oder tadelte sie mich? – Ich treffe Sie etwas zu oft hier in letzter Zeit! Und ich erwiderte erstaunt, dass ich seit Jahren nicht mehr hier gewesen sei. Das spielt doch keine Rolle, sagte sie.
    Es wurde grün. Ich war so überrascht, dass ich stehen blieb und nicht wahrnahm, wie die Dame verschwand. Als ich mich umschaute, war die Ampel wieder rot, und die Dame war fort, wie in Luft aufgelöst, und ich dachte, sie hat recht, ich kehre etwas zu oft hierher zurück, ja genau, dachte ich, etwas zu oft.
    Danksagung
    Ich danke meinen Eltern, Miron Petrowskij und Swetlana Petrowskaja, für ihr Vertrauen – und dafür, dass sie mich mit ihrem Verständnis für ein Buch überraschen, das ich für sie und zugleich über sie geschrieben habe, in einer Sprache, die sie nicht kennen.
    Mehr als allen anderen danke ich meinem Mann Tobias Münchmeyer. Ihm hatte mein Vater die Geschichte von Vielleicht Esther als erstem anvertraut, und er ist zugleich Adressat und Auslöser dieses Buchs. Er hat mir von Anfang an zur Seite gestanden, ich danke ihm für seine hingebungsvolle und unermüdliche Hilfe, beim Finden von Wörtern, dem Entwickeln von Gedanken und der Bewältigung des Alltags.
    Auf der Suche nach dem richtigen Ausdruck begleitete mich während der ganzen Entstehungszeit Sieglinde Geisel. Sie hat sich in dieses Wagnis gestürzt – ohne ihre Geduld, ihre Begeisterung und unsere Freundschaft wäre dieses Buch nicht möglich gewesen.
    Meine Lektorin Katharina Raabe bestärkte mich in der Idee, dieses Buch zu schreiben. Aufmerksam und vertrauensvoll unterstützte sie mich in allen Phasen des Schreibens.
    Ich danke allen, die mir bei meinen Recherchen geholfen haben, oft mit einer Großzügigkeit, die weit über das Notwendige hinausging: Halina Hila Marcinkowska und Anna Gawrzyjał (Kalisz), Anna Przybyszewska Drozd, Yale J. Reisner und Jan Jagielski (The Emanuel Ringelblum Jewish Historical Institute, Warschau), meinem lieben
Bruder Yohanan Petrovsky-Shtern (Northwestern University, Chicago), Annemarie Zierlinger (St. Johann), Michael Mooslechner (Flachau), Wolfgang Schmutz (Gedenkstätte Mauthausen), Mira Kimmelman und ihrer Familie (Oak Ridge, Washington), Rosalyn und Eshagh Shaoul, die bewiesen haben, dass Familie viel größer ist, als man denkt. Kornel Miglus, Maciej Gutkowski, Grzegorz Kujawa, Michael Abramovich, Yevgenia Belorusets.
    Dank an alle meine Lehrer und Freunde.
    Danke auch der Robert Bosch Stiftung für die Unterstützung im Rahmen des Programms »Grenzgänger« wie auch dem
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