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Verzeihen ist immer moeglich

Verzeihen ist immer moeglich

Titel: Verzeihen ist immer moeglich
Autoren: Bernard Jakoby
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Einzelne von uns, und so manchem Sterbenden wird erst durch die Lebensbilanz bewusst, wo er durch Sturheit oder Wut einen anderen zutiefst verletzt hat. Fehler gehören zum menschlichen Leben. Wer stets perfekt sein will und seine eigenen Schwächen verleugnet, lebt in der ständigen Angst zu versagen. Nur im Annehmen der Dinge, wie sie sind, liegt die Kraft des Loslassens. Das gilt in besonderer Weise für alles Vergangene. Wie viele unnötige Konflikte entstehen, wenn Eltern ihre Werte und Erwartungen, wie das Leben zu sein habe, auf die Kinder projizieren.
    »Herr Seifert, zweiundsiebzig, litt seit längerer Zeit an einer nicht mehr zu heilenden Leukämie. Er wusste, dass er nicht mehr lange leben würde, konnte aber nicht sterben. Er war ein herrischer, sehr bestimmender Mensch, der Probleme damit hatte, die Meinungen anderer zu akzeptieren. Damit hatte er es sich selbst auch in seiner Familie sehr schwer gemacht. Im Laufe der Jahre verhärtete er immer mehr und war unfähig, seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen.
    Darunter litt besonders sein jüngster Sohn, den er wegen seiner Homosexualität verachtete. Nun wurde Herr Seifert mit seiner angestauten Wut und Ohnmacht darüber, dass jemand ein Leben führte, das seinen Maßstäben nicht entsprach, konfrontiert. Er erkannte nun, wie sehr er seinem Sohn mit seiner starren Haltung unrecht getan hatte. Er bat seine Frau, den Sohn zu informieren, dass er sich mit ihm aussprechen wollte.
    Einige Tage später besuchte ihn sein Sohn. Der Vater gab zu, einen großen Fehler gemacht zu haben. Es tat ihm unendlich leid, so viel Zeit, die sie zusammen hätten verbringen können, durch seine Sturheit verloren zu haben. Der Sohn konnte seinem Vater aufrichtig vergeben und Herr Seifert starb wenige Tage später in Frieden.«
    So lange, wie wir jemandem etwas nachtragen und nicht bereit sind zu vergeben, machen wir uns selbst damit das Leben schwer. Groll, Wut oder Hass binden uns an die Betroffenen, unabhängig davon, ob sie noch leben oder schon gestorben sind. Wir leben in einer Vergangenheit, die schon lange nicht mehr ist. Dadurch ist es unmöglich, das Jetzt zu erkennen, da die Aufmerksamkeit in diesen alten Verletzungen steckt, die immer nur weitere negative Gefühle nach sich ziehen.
    Es ist sehr schwierig, mit alten Verletzungen zu leben, die ständig neu aufgerührt werden. Die alten Wunden sind im Körperbewusstsein verankert und oft getarnt durch die Angst, verletzt zu werden. Wer sich seine Fehler oder das Unrecht, das er begangen hat, eingestehen kann, wird daran wachsen und reift an Liebesfähigkeit. Das Leben ist ein beständiger Lernprozess und immer auch mit der Einsicht verbunden, fehlbar zu sein. Wer seine unerledigten Probleme bereinigt, wird offener im Umgang mit anderen Menschen und kann wirklich verzeihen.
    Wut, Schmerz oder auch Rachegedanken wegen einer Beleidigung, die durch einen anderen ausgelöst wurde, lenken uns stets in die Polarität von Aktion und Reaktion. Wir entfernen uns dabei von uns selbst, da wir stets aufs Neue, in äußerst schädlicher Weise, auf ein Unrecht reagieren, das uns irgendwann angetan worden ist.
    Wenn es im Sterben in den letzten Tagen zu einer Aussöhnung kommt, können wir erleben, dass die Verhärtungen oder Ablehnungen dem anderen gegenüber sich mitunter über vierzig Jahre oder mehr durch ein Leben gezogen haben.
    »Zwei Schwestern hatten sich vor zweiundvierzig Jahren auf einer Familienfeier wegen unterschiedlicher Auffassung über Kindererziehung zerstritten. Sie sprachen nie wieder ein Wort miteinander. Erst als eine Schwester mit fünfundachtzig Jahren im Sterben lag, erhielt sie Besuch von ihrer Schwester. So viele Jahre hatten sie wegen einer unbedeutenden Meinungsverschiedenheit jeglichen Kontakt abgebrochen, und der Ärger und die Wut über die andere plagten beide ihr ganzes Leben. Erst angesichts des bevorstehenden Todes der Schwester fanden sie wieder zueinander und söhnten sich aus durch Vergebung. Nun konnten beide ihre negativen Gefühle loslassen und endlich Frieden finden im Hier und Jetzt.«
    Es ist sehr schwer, mit Hass im Herzen zu sterben. Wenn wir ein Leben lang vor uns selbst davonlaufen und nachtragend jeden Fehler oder jede Beleidigung, die uns widerfahren ist, festhalten, sind wir nicht offen für das Potenzial an Freude, das uns das Leben im Jetzt bietet. Wir reagieren auf Situationen noch viele Jahre später, indem wir uns stets aufs Neue mit alten Verletzungen auseinandersetzen. Der
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