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Verzeihen ist immer moeglich

Verzeihen ist immer moeglich

Titel: Verzeihen ist immer moeglich
Autoren: Bernard Jakoby
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Schmerz, das Gefühl, versagt zu haben, und Schuld und Angstgefühle jeder Art verhindern, die Situation aus der Vergangenheit anzunehmen, wie sie war, und loszulassen. Bedenken Sie auch, dass jeder auf seine Weise zu derartigen Streitereien beiträgt. Wir können das im Nachhinein nicht verändern, doch können wir unseren Eigenanteil erkennen und die Situation heute verändern, zum Beispiel indem wir das Gespräch suchen und der anderen Person von uns aus verzeihen.
    Bei jeder Lebensbilanz geht es um die Frage, ob wir Liebe gelebt haben oder nur den Mangel daran. Wenn wir liebevoll mit unseren Mitmenschen umgehen und echtes Mitgefühl für ihre Sorgen und Nöte entwickeln, nehmen wir auch die Verletzungen, die uns andere zufügen, nicht so persönlich. Sehr viele Menschen können erlittene Beleidigungen weder vergessen noch verzeihen. Eine Sterbebegleiterin berichtete mir:
    »Frau Rosig hatte sich schon vor über dreißig Jahren von ihrem Ehemann getrennt, da er sie geschlagen und gedemütigt hatte. Mit dreiundsiebzig Jahren kam sie in unser Hospiz aufgrund einer unheilbaren Krebserkrankung. Ich habe noch nie eine so verbitterte Frau kennengelernt. Sie kannte nur ein Thema und das waren die Wut und der Hass auf ihren Mann. Sie machte ihn für alles Leid ihres Lebens verantwortlich. In all den Jahren nach der Trennung war sie absolut unversöhnlich und tief gekränkt, als wäre das alles erst gestern geschehen. Sie hielt ihre Wut für Charakterfestigkeit und seelische Stärke. Sie konnte nicht erkennen, dass eine derart negative Gesinnung nicht nur ihr Leben zerstört hatte, sondern auch ihre Gesundheit ruinierte. Sie verharrte bis zum Schluss in dieser Haltung und lehnte jegliche Hilfe von den Begleitenden ab.«
    Eine solch unversöhnliche Haltung dem Leben und dem Schicksal gegenüber führt in trübe Gedanken und negative Gefühlszustände. Sie ist verbunden mit einem Abgeschnittensein vom eigenen göttlichen Kern. Wer nicht vergeben kann, erschafft eine Mauer der Unnahbarkeit und isoliert sich von seinen Mitmenschen. Jemand mit einer derartigen Struktur ist häufig allein und vereinsamt. Unversöhnlichkeit erschwert ein friedliches Zusammenleben innerhalb der Familie, der Verwandten oder der Freunde, da keine wirkliche Harmonie entstehen kann.
    Jeder von uns wurde in seinem Leben von anderen verletzt. Wie oft fühlen wir uns missverstanden, ungerecht behandelt oder gedemütigt. Rachegedanken, Wut, Groll oder Zorn, verbunden mit dem Wunsch, es dem anderen heimzuzahlen, entfernen uns von uns selbst. In wie vielen Beziehungen oder Ehen machen sich die Betroffenen das Leben zur Hölle durch zwanghafte Erwartungen an den anderen, indem alte Geschichten wieder und wieder aufgewärmt werden. Bereits vernarbte Wunden werden durch alte Vorwürfe ständig neu aufgerissen. Wenn jemand nicht imstande ist, die Vergangenheit loszulassen und einen Strich darunter zu ziehen, führt das in Kleinkariertheit und engstirniges Denken. Der Mangel an Liebe triumphiert.
    Das eigene Ego will im Mittelpunkt stehen und alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auf diese Weise lässt sich kein innerer Frieden herstellen. Wenn wir nicht vergeben können, bleiben wir an alte Verletzungen gebunden. Schlimmer noch: Wir ziehen die fortwährenden negativen Energien der Vergangenheit in unser gegenwärtiges Leben.
    Wer nicht vergeben kann, dem fehlt es an innerer Stärke. Das ist das Resultat eines wenig belastbaren Egodenkens, das irrtümlicherweise zu der Ansicht führt, dass wir uns demütigen oder erniedrigen, wenn wir verzeihen. Wer keinen Fehler vergeben kann und keine Entschuldigung akzeptiert, befindet sich im Käfig seines selbst geschaffenen Egoismus.
    Wer vergeben kann, befreit sich von allem Kummer. Nur dadurch können wir uns von einer schweren Last befreien. Wir entlasten die blockierenden und verzehrenden Gedankenkreise des Hasses und des ständigen Gekränktseins. Nur durch Vergebung werden wir fähig, uns selbst zu verzeihen. Wenn wir ehrlich sind uns selbst gegenüber, erkennen wir, dass wir in den meisten Fällen selbst dazu beigetragen haben, dass eine Situation eskaliert ist.
    Selbst im Fall eines Kindes, das brutal ermordet und missbraucht wurde, können wir Frieden nur durch Vergebung finden, indem wir die Situation annehmen, wie sie ist. Dann erst kann der Schmerz mit der Zeit losgelassen werden. Das ist sicher kein einfacher Weg.
    Die Einsicht in die eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten stärkt den Mut zum Verzeihen.
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