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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung
Autoren: Simon Beckett
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überrascht.
    «Hat man ein Grab gesehen, hat man alle gesehen.» Er wollte flapsig klingen, aber es gelang ihm nicht ganz. «Ich bin nur hier, um ein paar Papiere abzuholen. Ich habe eine lange Fahrt vor mir.»
    «Wohin?»
    «Erzähl ich dir später. Aber drück mir die Daumen.»
    Er stieg in den Wohnwagen. Kurz fragte ich mich, wofür ich ihm die Daumen drücken sollte, doch ich musste mich im Moment um andere Dinge kümmern als um Terrys Spielchen.
    Ich wandte mich ab und schaute hinaus aufs Moor.
    Im Nebeldunst breitete sich die kahle Landschaft vor mir aus. Es gab keine Bäume, nur vereinzelte dunkle, stachelige Ginsterbüsche, und zwischen der Heide, den Felsen und dem dicken, faserigen Gras ragte hin und wieder winterbrauner Farn hervor. Hinter der Straße neigte sich das Gelände sanft, ehe es in einem langen Hang wieder anstieg. Auf dem ungefähr einen halben Kilometer entfernt gelegenen Kamm war die gedrungene, langgestreckte Felsformation zu sehen, die Simms am Telefon erwähnt hatte.
    Black Tor.
    Im Dartmoor gibt es einige solcher verwitterten Felstürme, die wie Karbunkel aus dem Moor ragen. Doch das Profil des Black Tor war unverkennbar. Die breite, platte Formation, die sich vor dem Himmel abzeichnete wie vom Kind eines Riesen aufeinandergestapelte Bauklötze, sah nicht dunkler aus als die anderen
Tors
, die ich gesehen hatte, der Name bezog sich also vielleicht auf irgendeine dunkle Geschichte in der Vergangenheit. Kein Wunder, dass sich die Medien sofort geifernd darauf gestürzt hatten. Zumal es sich um Monks Friedhof handelte.
     
    Nach Simms’ Anruf hatte ich mich im Internet über den Fall informiert. Monk war der Traum eines jeden Journalisten. Ein Außenseiter und Einzelgänger, der seinen unsicheren Lebensunterhalt als Gelegenheitsarbeiter mit Wilderei und Diebstahl aufbesserte, zudem ein Waisenkind, dessen Mutter bei seiner Geburt gestorben war, wodurch einige Gazetten sich zu dem Kommentar hatten hinreißen lassen, sie sei sein erstes Opfer gewesen. Häufig wurde er in der Regenbogenpresse als Zigeuner beschrieben, was allerdings nichtstimmte. Obwohl er den größten Teil seines Lebens in einem Wohnwagen in der Gegend von Dartmoor verbracht hatte, war er vom reisenden Volk genauso gemieden worden wie vom Rest der Gesellschaft. Unberechenbar und zu brutalen Gewaltausbrüchen neigend, stimmte sein Charakter exakt mit seinem Äußeren überein.
    Wenn jemand wie ein Mörder aussah, dann Monk.
    Mit seinen schon beinahe unheimlichen Kräften war er eine groteske Gestalt, eine Laune der Natur. Die Fotos und Filmaufnahmen von seinem Prozess zeigten einen Koloss von einem Mann, in dessen kahlen Riesenschädel mürrische Züge eingekerbt waren. Seine schwarzen Knopfaugen waren leblos wie die einer Puppe, der Mund schien ständig höhnisch zu grinsen. Noch beunruhigender war die Delle in seiner Stirn – als hätte sich ein riesiger Daumen in einen Lehmklumpen gedrückt. Diese Verunstaltung war nicht nur furchtbar anzuschauen, sie sah auch aus, als hätte sie eigentlich tödlich sein müssen.
    Die meisten Leute bedauerten, dass sie es nicht war.
    Nicht allein die Art seiner Verbrechen schockierte die Öffentlichkeit. Es war das sadistische Vergnügen, mit dem er wehrlose Opfer aus der Gegend von Dartmoor ausgewählt hatte. Das erste, Zoe Bennett, war eine dunkelhaarige siebzehnjährige Schönheit gewesen, ein angehendes Model, das eines Abends nach der Disco nicht heimgekommen war. Drei Nächte später verschwand ein zweites Mädchen.
    Lindsey Bennett, Zoes eineiige Zwillingsschwester.
    Was normalerweise eine Routineermittlung ausgelöst hätte, war plötzlich eine Nachricht auf der Titelseite. Niemand bezweifelte, dass derselbe Täter verantwortlich war, und als Lindseys Handtasche in einem Abfalleimer gefunden wurdeund damit jede Hoffnung zunichte war, die Schwestern lebend zu finden, ging die Öffentlichkeit auf die Barrikaden. Schlimm genug für eine Familie, einen solchen Verlust einmal zu erleiden, aber zweimal? Und auch noch Zwillinge?
    Als dann Tina Williams, eine attraktive, dunkelhaarige Neunzehnjährige, vermisst wurde, kippte die Stimmung in Hysterie um, mehrmals gab es falschen Alarm. Für eine gewisse Zeit sah es so aus, als hätte man eine Spur: In der Gegend, in der sowohl Lindsey Bennett als auch Tina Williams zum letzten Mal gesehen worden waren, war eine weiße Limousine von den Kameras der Verkehrsüberwachung aufgenommen und von Zeugen gesehen worden.
    Dann forderte Monk sein
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