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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung
Autoren: Simon Beckett
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Fingerknochen unter den Bissspuren glatt waren.
    «Ist einer von den Wanderern auf die Hand getreten, oder wurde sie beim Ausgraben beschädigt?», fragte ich.
    «Sie behaupten, nein.» Simms’ Gesicht war ausdruckslos. «Weshalb?»
    «Es muss nichts bedeuten, aber die Finger sind gebrochen. So wie es aussieht, sind sie sauber abgekniffen worden, und das kann kein Tier gewesen sein.»
    «Ja, ist mir auch aufgefallen», brummte Wainwright.
    «Glauben Sie, es ist wichtig?», wollte Simms wissen.
    Wainwright kam mir zuvor. «Kann man noch nicht sagen. Es sei denn, Dr.   Hunter hat eine Theorie   …?»
    Ich wollte mich nicht zu Spekulationen hinreißen lassen. «Noch nicht. Haben Sie sonst etwas entdeckt?» Wahrscheinlich war der Innenraum des Zeltes bereits von der Spurensicherung nach Beweismaterial abgesucht worden.
    «Nur zwei kleine Knochen an der Oberfläche, die wohl von einem Hasen stammen. Jedenfalls stammen sie nichtvon einem Menschen, aber Sie können gern selbst einen Blick darauf werfen.» Simms schaute auf seine Uhr. «So, wenn das alles war   … ich muss jetzt eine Pressekonferenz geben. Professor Wainwright wird Ihnen sagen, was Sie wissen müssen. Sie werden unter seiner Leitung arbeiten.»
    Wainwright beobachtete mich aufmerksam. Während der Gerichtsmediziner das letzte Wort bei der eigentlichen Untersuchung der Leiche hatte, war es nur normal, dass die Verantwortung für die Ausgrabung bei ihm als forensischem Archäologen lag. Ich hatte kein Problem damit, zumindest theoretisch. Aber ich hatte schon erlebt, dass Leichen bei einer Ausgrabung durch Unfähigkeit oder Übermut beschädigt worden waren, und meine Arbeit wurde nicht leichter, wenn ein Schädel von einer Spitzhacke oder einem Spaten zertrümmert wurde.
    Außerdem hatte ich keine Lust, mich von Wainwright wie ein Assistent behandeln zu lassen.
    «Solange es um die Ausgrabung geht, ist das in Ordnung», sagte ich. «Aber ich dachte, ich sollte Sie bei der Untersuchung der Überreste beraten.»
    Im Zelt trat Stille ein. Simms betrachtete mich kalt. «Leo nard und ich kennen uns schon sehr lange, Dr.   Hunter. Wir haben in der Vergangenheit bei zahllosen Ermittlungen zusammengearbeitet. Sehr erfolgreich, übrigens.»
    «Ich wollte nicht   …»
    «Sie sind mir sehr empfohlen worden, aber ich will teamfähige Mitarbeiter. Ich habe ein großes persönliches Interesse an dieser Ermittlung, und ich werde keine Störungen dulden. Von niemandem. Habe ich mich klar ausgedrückt?»
    Ich war mir der Blicke von Wainwright bewusst, und ich hatte das Gefühl, dass Simms von dem Archäologen instruiertworden war. Am liebsten hätte ich mich gesträubt, doch ich hatte schon oft genug mit schwierigen Ermittlungsleitern zu tun gehabt, um zu wissen, dass es sich nicht lohnte. Ich versuchte, genauso ungerührt zu wirken wie er.
    «Natürlich.»
    «Gut. Denn ich muss Ihnen bestimmt nicht sagen, wie wichtig das hier ist. Zwar sitzt Jerome Monk hinter Gittern, aber für mich ist dieser Fall erst dann beendet, wenn die Opfer gefunden sind und an ihre Familien übergeben werden können. Falls – und ich sage bewusst falls – diese Leiche eines seiner Opfer ist, dann muss ich das wissen.» Simms starrte mich noch einen Moment an, wohl um sicherzugehen, dass er sich durchgesetzt hatte. «Gut, wenn das geklärt ist, dann überlasse ich Sie beide Ihrer Arbeit.»
    Er machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Zelt. Für eine Weile sprachen weder ich noch Wainwright. Dann räusperte sich der Archäologe theatralisch. «Gut, Dr.   Hunter, wollen wir anfangen?»
     
    Unter dem grellen Licht der Scheinwerfer schien die Zeit stehenzubleiben. Der dunkle Torfboden wollte die Leiche nur widerwillig freigeben und blieb hartnäckig an den Überresten hängen, die allmählich unter der Oberfläche auftauchten. In den meisten Böden ist die Form oder der Zuschnitt des Grabes recht einfach zu bestimmen. Da die Erde, die ausgehoben und dann auf der Leiche angehäuft wurde, lockerer ist als der unangetastete Boden daneben, kann man relativ leicht die Ränder des Loches erkennen. Im Torf sind die Trennungslinien nicht so deutlich. Torf saugt Wasser auf wie ein Schwamm und bricht deshalb nicht so schnell auf wie andere Böden. Der Zuschnitt des Grabes kann trotzdemfestgestellt werden, aber dafür braucht es mehr Sorgfalt und Fachkenntnis.
    Wainwright verfügte über beides.
    Schon wegen seiner massigen körperlichen Präsenz dominierte er den abgeschlossenen Raum zwischen
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