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Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Titel: Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi
Autoren: Xanthippe Verlag
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1. Kleine Aufregungen
    In aller Herrgottsfrühe stapft Amalia mit hochrotem Gesicht die letzten Stufen der Steintreppe hinauf und eilt den langen, dunklen Gang entlang. Bei der vorletzten Türe bleibt sie stehen und wirft einen Blick ins Zimmer 11. Als sie die Stapel von Decken und baumwollenen Leintüchern auf dem schwarzen, runden Holztisch entdeckt, fasst sie sich an die Brust und herrscht die beiden Mädchen, die die Betten machen, an:
    «Wenn ihr früher aufgestanden wäret, wären wir jetzt fertig. Ab jetzt ist wieder um fünf Tagwacht. Ich schicke euch den Buben mit kaltem Wasser ins Zimmer, wenn ihr nicht selber aufsteht!»
    Amalia zieht ihre dunkelbraunen, buschigen Augenbrauen zusammen. Sie kramt ein helles Taschentuch aus ihren schwarzen Röcken und tupft sich damit die Stirn. Schwer seufzend lässt sie sich auf einen mit grünem Samt ausgeschlagenen Sessel sinken und kommandiert weiter:
    »Vreni, für den Saal ziehst du mir eine saubere Schürze an!», und nach einer kurzen Pause: »Hat der Bub die Milch geholt?»
    «Ja, Madame», antwortet die Angesprochene und macht dazu einen kleinen Knicks in Richtung der Chefin. Die Augen hält sie gesenkt.
    «Wenigstens das. Wenn ich mich nicht um alles selber kümmern würde. Maria, du wirst nochmals jedes Zimmer kontrollieren. Am Tag der Ankunft wird gelüftet, und die Bettdecken gehören mindestens eine Stunde an die frische Luft gehängt. Kommst du nachher mit mir hinunter? Ich möchte mit dir die Gästeliste durchgehen.»
    In Gedanken ist Amalia bereits bei den Tischkärtchen, die sie eigens für das Festmahl hat zeichnen lassen. Das Papier allein war schon sehr teuer. Pierre fand die Goldumrandung ein bisschen übertrieben. Aber Amalia wollte ein perfektes Fest. Und jetzt hat sie Kärtchen mit einer Abbildung des Hotels Belalp und dem Aletschgletscher. Die Gäste werden die Kärtchen bestimmt als Andenken mit nach Hause nehmen. Amalia stellt sich vor, wie sie dann auf den Kaminsimsen der englischen, irischen und schottischen Adelshäuser aufgestellt stehen. Ihre Tischkarten.
    «Mach dir keine Sorgen, es wird schon gehen», beruhigt Maria sie und streicht mit beiden Händen das Leintuch glatt, um es dann flink unter der schweren Rosshaarmatratze einzuschlagen.
    Amalia zieht die Augenbrauen hoch. Ihre Stimme klingt ärgerlicher, als sie möchte: «Du kannst schön reden, meine liebe Cousine. Du kannst dich notfalls im Hintergrund halten. Aber ich, ich stehe von Anfang an zuvorderst auf der Bühne.» Sie fächert sich mit dem Taschentuch Luft zu.
    «Wie viele Sommer bin ich jetzt mit dir hier oben? Vier, fünf? Es hat doch immer alles geklappt», seufzt Maria, hebt einen kleinen, braunen Haarkamm vom Boden auf und steckt ihn sich wieder in die zu einem Knoten gebundenen rabenschwarzen Haare.
    Das stimmt, denkt Amalia, aber was das immer an Sorgen bedeutet, kann sich Maria eben nicht vorstellen. So eine Position als Hôtelière ist keine leichte Aufgabe. Sie ist froh, dass Maria und Müoma 1 Weva auch diesen Sommer mit dabei sind. Der Familie traut sie leichter. Da muss sie nicht gleich befürchten, dass alles im Dorf unten die Runde macht. Amalia steht wieder auf und geht ans Fenster. Sie schiebt den weissen, fein bestickten Vorhang ein wenig zur Seite und schaut auf die grünen Alpwiesen vor dem Hotel. Der Alpenfrühling ist längst vorbei, jetzt sieht man gelbe Butterblumen und tiefblaue Enziane. Links vor dem Hotel drängt der mächtige weisse Gletscher mit den zahllosen Rissen und Stufen.
    «Maria, heute soll der Professor eintreffen», Amalias Stimme zittert leicht, und sie räuspert sich.
    «Der Professor? Das wusste ich gar nicht. Der war aber länger nicht mehr hier», Marias gedankenverlorener Blick wandert zu den gegenüberliegenden Berggipfeln. «Professor James McGregor», murmelt sie vor sich hin.
    Amalia wirft einen kritischen Blick auf ihre Cousine. Sie mag es nicht, wenn Maria träumt. «Sie sind für diese Tage angemeldet. Sie werden wohl zuerst ein, zwei Nächte in Naters bleiben wollen, zur Akklimatisation. Maria, schaust du, dass alle da sind, wenn sie ankommen? Ich gehe noch den Peffirellis guten Tag sagen.»
    Maria nickt wortlos, und Amalia geht wieder hinunter in die Réception. Eine Weile später durchquert sie den leeren Speisesaal, um auf die Terrasse hinauszugehen. Im vorderen Saal wirft sie rasch einen Blick aus dem Fenster und entdeckt eine Gruppe beladener Maultiere, mit Führern, die sich langsam den Berg heraufbewegt.
    Amalia
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