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Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Titel: Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi
Autoren: Xanthippe Verlag
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schlägt das Herz plötzlich rascher, und sie ruft in Richtung Treppenhaus: «Sie kommen!»
    Ohne eine Antwort abzuwarten, eilt sie in den Gang zurück. Unterwegs bindet sie sich noch rasch die Schürze ab und legt sie in die Durchreiche zur Küche. In dem kleinen, dunkel umrandeten Spiegel prüft sie ihr dunkelbraunes, zu einem Kranz geflochtenes Haar. Sie zieht den Rock glatt und tritt vor die grosse Eingangstüre. Zufrieden stellt sie fest, dass ihre Angestellten sich dort bereits zum Empfang der ankommenden Gäste aufgestellt haben: Vreni, pausbäckig und stramm wie immer, die anderen Mädchen und der kleine, magere Hirtenbub. Auch Weva kommt aus der Küche, bindet sich das blauweiss geblümte Tuch unterm Kinn fest. Ein paar weisse Haare lugen darunter noch hervor.
    «Weva, wo bleibt denn Maria? Sie weiss doch, dass der Professor kommt.»
    «Die kommt, mach dir keine Sorgen», beruhigt Weva sie, faltet ihre blau karierte Küchenschürze zusammen und behält sie in ihrer rechten Hand hinter dem Rücken, «wir sind ja da.»
    «Sie weiss, dass ich alle dahaben will, das gibt ein besseres Bild ab beim Empfang!», Amalia ist ungehalten, beruhigt sich aber, als sie zu Weva hinüberblickt.
    Die klein gewachsene alte Dame geht in dem Grüppchen fast unter, aber ihre flinken Augen sind überall, ihr entgeht nichts. Auf Weva wird sie sich auch heuer verlassen können. Die Gäste schwärmen sogar von ihrem Pot Roast with Pudding , den sie so gut fertigbringt, dass er richtig englisch schmeckt. Eine adelige Dame hat ihr vor einigen Jahren ihr Rezept dafür verraten. Ihr Ehegatte konnte die Mineschtra 2 , den Schafsgigot, das gesottene Schweinefleisch und die Würste nicht ausstehen. Bei der Blutwurst geriet dann auch die Lady selber an ihre Grenzen. Also half sie sich kurzerhand damit, dass sie eine Sammlung englischer Rezepte mitbrachte. Und seither ist Pot Roast eine Spezialität des Hauses Germanier. Amalia freut sich schon auf die lobenden Worte dafür. Sir Butterworth, der Präsident des London Alpine Club, hat sie letztes Jahr deswegen sogar im Club-Journal erwähnt.
    Plötzlich sieht Amalia, wie Maria hinter dem Angestelltentrakt dem Hirtenbuben hinterherläuft. Sie will ihn einfangen, aber der Kleine ist ohne Schuhe viel flinker. Lachend springt er ums Haus. Amalia stellt sich ihm in den Weg, und er läuft ihr geradewegs in die Arme. Erschrocken schaut er sie an, ein schmutziges kleines Gesichtchen mit grossen braunen Augen und rötlichblondem Stoppelhaar. Da habe ich mir etwas aufgeladen, denkt Amalia einmal mehr. Der Bengel ist ja nützlich im Stall und in der Küche, aber er ist so lebendig, fast wie Quecksilber. Pierre hatte damals nichts dagegen, dass Amalia ihn nehmen wollte. Der Kleine hatte keinen Vater, und die Mutter lebte seit der Geburt im Irrenhaus. Der Knopf tat ihr leid. Und vielleicht milderte es auch die Tatsache, dass sie und Pierre keine eigenen Kinder bekommen konnten.
    Amalia holt ihr gebrauchtes weisses Taschentuch aus ihrem Rock und gibt ein wenig Speichel darauf, um dem Buben die schlimmsten Flecken aus dem Gesicht zu putzen.
    Dann richtet sie sich wieder auf und lächelt. Die Gäste sollen sie in guter Stimmung antreffen. Sie hält die Hand schützend über die Augen und versucht, die Ankommenden zu erkennen.
    «Seht ihr, wer das sein könnte?»
    «Doch, das ist er, Professor McGregor!», murmelt Maria. «Aber er ist nicht allein.»
    «Ja, sicher», bemerkt Amalia und neigt den Kopf ihrer Cousine zu, «habe ich dir das nicht erzählt? Er kommt mit seiner jungen Gemahlin. Sie sind auf Hochzeitsreise!»
    «Nein, hast du nicht», bemerkt Maria trocken. «Aber er wollte doch gar nie heiraten», ungläubig starrt sie auf den ankommenden Tross.
    «Freu dich doch, Maria», Amalia schubst sie in die Seite, «du machst ja ein Gesicht, als hätten wir nichts mehr zu essen.»
    «Ja, ich meine ja nur», stottert Maria. «Er war immer dagegen und hat gesagt, Heiraten sei etwas für Weichlinge und Stubenhocker, er als aktiver Wissenschaftler habe das nicht nötig.»
    «Na und, jetzt hat er sich eben verliebt. Untersteh dich, so etwas vor den Gästen zu sagen, Maria», warnt Amalia.
    «Was die für Gepäck mitbringen, die Maultiere schleppen sich ja halbtot, siehst du, sie stolpern fast bei jedem zweiten Schritt. Die werden Haber fressen für zehn!», entrüstet sich Weva. «Hirgji 3 , geh schnell, mach dich nützlich, geh die Futtersäcke holen!»
    Jetzt kann auch Amalia die Ankommenden genauer ausmachen:
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