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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung
Autoren: Simon Beckett
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Notizen tropfte, die ich auf den Tisch gelegt hatte.
    «Oje», Kara riss ein Stück von der Küchenrolle und wischte die Papiere ab. «Das gibt einen Fleck. Ich hoffe, sie sind nicht wichtig.»
    Alice schaute mich verzagt an. «Tut mir leid, Papa.»
    «Nichts passiert.» Ich gab ihr einen Kuss, setzte sie ab und packte meine Notizen zusammen. Das oberste Blatt hatte einen klebrigen Joghurtfleck. «Ich fahr dann mal los.»
    Kara folgte mir in den Flur, wo bereits meine Tasche stand. Ich nahm sie in den Arm. Ihr Haar roch nach Vanille.
    «Ich ruf dich später an. Dann weiß ich bestimmt schon, wie lange ich bleiben muss. Hoffentlich nur ein paar Tage.»
    «Fahr vorsichtig», sagte sie.
    Wir waren beide an meine Reisen gewöhnt. Ich war einer der wenigen forensischen Anthropologen des Landes, und es gehörte zu meinem Job, dass ich dorthin fahren musste, wo gerade eine Leiche gefunden wurde. In den letzten Jahren war ich sowohl im Ausland als auch überall in England zu Ermittlungen gerufen worden. Meine Arbeit war häufig grausig, aber in jedem Fall notwendig, und ich war nicht nur auf meine Fähigkeiten, sondern auch auf meinen immer besser werdenden Ruf stolz.
    Dennoch fiel mir die Trennung von meiner Frau und meiner Tochter jedes Mal schwer. Aber es sollte ja nur für ein paar Tage sein.
     
    Ich stieg aus dem Wagen und trat vorsichtig auf das matschige Gras. Die Luft roch nach Feuchtigkeit, Laub und Abgasen. Ich ging zum Kofferraum, zog einen Overall aus demKarton mit Einwegschutzkleidung und schlüpfte hinein. Für gewöhnlich wurde man von der Polizei ausgestattet, doch ich hatte gerne meine eigenen Sachen dabei. Nachdem ich den Reißverschluss des Overalls hochgezogen hatte, nahm ich den Aluminiumkoffer mit meinem Equipment heraus. Bis vor kurzem hatte mir ein alter, abgewetzter Koffer genügt, aber Kara fand, dass ich damit wie ein Vertreter aussah und professioneller auftreten müsste.
    Als ich gerade zwischen den geparkten Polizeifahrzeugen hindurchging, hielt ein Wagen an. Die hellgelbe Karosserie hätte mir eigentlich gleich bekannt vorkommen müssen, aber ich war zu abgelenkt und achtete nicht weiter darauf, bis jemand rief.
    «Hast du also hergefunden?»
    Ich schaute mich um und sah zwei Männer aus dem Wagen steigen. Der eine war klein und hatte vorstehende Zähne und eine spitze Nase. Ich hatte ihn noch nie gesehen, aber den jüngeren Mann an seiner Seite erkannte ich sofort. Groß und gutaussehend und mit den breiten Schultern eines Athleten kam er selbstbewusst heranstolziert. Ich hatte nicht damit gerechnet, Terry Connors hier zu sehen, doch seinen Wagen hätte ich erkennen müssen. Der protzige Mitsubishi war sein ganzer Stolz und setzte sich deutlich von den unauffälligen Autos ab, die die Kriminalpolizei für gewöhnlich benutzte.
    Ich lächelte, obwohl ich wie immer gemischte Gefühle hatte, wenn ich auf ihn traf. Einerseits freute es mich, im unpersönlichen Polizeiapparat ein bekanntes Gesicht zu sehen, andererseits herrschte zwischen Terry und mir aus irgendeinem Grund immer eine Befangenheit, die sich nie ganz auflöste.
    «Ich wusste nicht, dass du an der Ermittlung beteiligt bist», sagte ich, als die beiden vor mir standen.
    Er grinste, wie immer ein Kaugummi zwischen den Zähnen. Seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er ein bisschen abgenommen, sodass seine kantigen Züge ausgeprägter geworden waren. «Ich bin stellvertretender Ermittlungsleiter. Was glaubst du, wer ein Wort für dich eingelegt hat?»
    Ich rang mir ein Lächeln ab. Als ich Terry Connors zum ersten Mal begegnet war, war er Detective Inspector bei der Londoner Polizei gewesen, aber wir hatten uns nicht durch die Arbeit kennengelernt. Seine Frau Deborah war zur gleichen Zeit schwanger gewesen wie Kara und hatte zufällig denselben Kurs zur Geburtsvorbereitung besucht. Während die beiden Frauen sich angefreundet hatten, waren Terry und ich uns zunächst voller Argwohn begegnet. Abgesehen von den Überschneidungen unserer Berufe, hatten wir wenig gemeinsam. Er war äußerst ehrgeizig und sah in jedem einen Konkurrenten; ein typischer Sportsmann, für den die Karriere nur eine weitere Arena war, in der er sich Lorbeeren verdienen konnte. Seine Selbstgefälligkeit und Angeberei konnten einem ziemlich auf die Nerven gehen, doch der Erfolg bei den Fällen, die er mir zugeschustert hatte, war für uns beide kein Nachteil gewesen.
    Dann – wieso, war mir bis heute nicht klar – hatte er vor gut einem Jahr
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