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Verschärftes Verhör

Verschärftes Verhör

Titel: Verschärftes Verhör
Autoren: Jenny Siler
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willen.«
    »Sparen Sie sich Ihr Geld«, erwiderte Colin eisig und sah wieder zum Fernseher hoch, in dem ein Rugbyspiel lief, Hull gegen St. Helens. Die Spieler waren in komischer Sinnlosigkeit ineinander verkeilt und glichen einer Gruppe Betrunkener, die an einem windigen Abend aus der Kneipe nach Hause taumelte. »Mein Zug geht gleich.«
    »Nur fünf Minuten«, sagte Kurtz, wohl wissend, dass der Zug nach Edinburgh erst in einer halben Stunde fuhr.
    Der Barkeeper stellte zwei frische Gläser auf die Theke. Kurtz bezahlte. »Ich habe Rugby nie verstanden«, bemerkte er und deutete mit der rechten Hand auf den Fernseher, wobei er mit der Linken die Phiole in seiner Brusttasche berührte. Minuten, mahnte er sich. Wenn er den ersten Schluck genommen hatte, würde es nur wenige Minuten dauern, bis es vorbei war. »Das gilt übrigens auch für Kricket. Das da zum Beispiel. War das nun ein Tor oder ein Versuch? Das kann ich nie auseinanderhalten.«
    Im nikotinvernebelten Licht der Kneipe wirkte Colins Gesicht fahl, er sah aus wie ein Junkie, der nach dem nächsten Schuss giert. Ja, dachte Kurtz und bewegte die Hand über Colins Glas, wobei er den Inhalt der Phiole hineinschüttete, der Tod dieses Mannes wird niemanden überraschen.
    Er schob das leere Glasröhrchen in die Tasche, hob sein Glas und betrachtete den Inhalt. »Haben Sie noch Kontakt zu Kat? Als ich zuletzt von ihr hörte, war sie irgendwo in Virginia.« Damit rührte er an eine alte Wunde.
    Colin zuckte die Achseln, trank von seinem Bitter und wandte sich zu Kurtz. »Wollen Sie sich davon überzeugen, dass ich keine kalten Füße bekommen habe?«
    »So in der Art.«
    »Die Mühe hätten Sie sich sparen können. Ich habe nicht vor, meine Meinung zu ändern, und das gilt auch für Stuart. Solange Ihr Mr Bagheri nicht überraschend bei der Militärgerichtsverhandlung auftaucht, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
    Kurtz lachte. Ein bisschen zu schnell, doch das war jetzt auch egal.
    Dann schwiegen beide, und einen Augenblick lang wirkten sie tatsächlich wie alte Bekannte, wie Männer, die einen Waffenstillstand geschlossen hatten. Als wären al-Amir und die Sache mit dem Iraner lange vorbei. Auch das mit Kat.
    Colin trank sein Bier aus und sah auf die Uhr. »Es wird Zeit.« Er griff mit der rechten Hand nach der Tasche und wollte sich an der Theke abstützen, doch die Prothese rutschte auf der nassen Oberfläche ab, und er kippte ungeschickt nach vorn.
    »Alles in Ordnung?«, höhnte Kurtz.
    Colin rappelte sich auf. Sein Gesicht war feucht, der Mund geöffnet, er atmete mühsam.
    Kurtz schlang Colins Arm um seine Schulter und führte ihn zur Toilette. Eine betrunkene Frau taumelte auf sie zu. Ihr Mund ein greller roter Strich, das Gesicht fleckig und verschmiert. Sie prallte gegen Colin und befingerte ihn mit feuchten Händen. Angewidert schob Kurtz sie beiseite und trat mit dem Stiefel die Toilettentür auf.
    Colin stolperte in eine der türlosen Kabinen, sank auf die Knie und würgte Bier und Galle hoch.
    Kurtz schloss hinter ihnen ab. »Das letzte Glas ist dir wohl nicht bekommen«, sagte er hämisch. Er zog schwarze Lederhandschuhe aus der Jackentasche, streifte sie über, öffnete Colins Tasche und durchsuchte den armseligen Inhalt. Schmutzige Unterwäsche und T-Shirts. Einige Toilettenartikel für den Nachtzug.
    »Aufmachen!« Ungeduldige Stimmen vor der Tür, ein Hagel von Faustschlägen.
    Kurtz hielt inne. »Verpisst euch!«, brüllte er über die Schulter und holte Colins halbvolles Röhrchen Morphiumtabletten aus der Tasche.
    »Weißt du«, sagte er mit einem Blick auf Colins Versehrten linken Arm, »das hätte schon in al-Amir passieren sollen.« Er warf die verbliebenen Tabletten in die Toilette, setzte den Stiefel auf den Stahlhebel und spülte ab. »Keine Sorge, es geht schneller, als du denkst.«

3
Madrid
    Kurz nach Mitternacht machte Jamal sich auf den Weg über die Puerta del Sol. Es war schon spät, dachte er bei einem Blick auf den Uhrturm der alten Post, behielt aber sein Tempo bei. Die Amerikaner würden auf ihn warten, etwas anderes blieb ihnen gar nicht übrig.
    Es war eine warme Nacht, ein denkbar schöner Frühherbst, und die Straßencafés um die Plaza waren zum Bersten voll mit Madrilenen und Touristen. Alle waren jung und attraktiv, zeigten nackte Schultern und Beine, die Haut gebräunt von den Ferien im August.
    In der Mitte der Plaza floss das Wasser eines Springbrunnens elegant herab, von unten beleuchtet und transparent
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