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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht
Autoren: Cecelia Ahern
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bisschen ausruhen, Schätzchen.«
    »Die Fotos sind in meiner Hemdentasche«, protestierte ich und wollte alles erklären, aber in meinem Kopf herrschte ein fürchterliches Chaos. »Nicht in meiner eigenen Tasche, sondern eigentlich in der von Barbara Langley aus Ohio. Aber ich hab sie alle eingesteckt.«
    »Die Polizei hat nichts gefunden, Liebes«, sagte mein Dad leise, als wollte er nicht, dass jemand das mithörte. »Auch keine Fotos.«
    »Dann müssen sie wohl rausgefallen sein«, murmelte ich und war es plötzlich müde, immer alles erklären zu müssen. »Ist Gregory hier?«, fragte ich stattdessen.
    »Nein. Sollen wir ihn anrufen?« Meine Mutter war ganz aufgeregt. »Ich wollte ihm ja schon Bescheid sagen, aber Harold hat es mir verboten.«
    »Ruf ihn an«, sagte ich, und danach konnte ich mich an nichts mehr erinnern.
     
    Ich erwachte in meinem alten Zimmer und starrte auf die gleiche Blümchentapete, die ich meine ganze Teenagerzeit hindurch hatte ertragen müssen. Damals hatte ich sie gehasst und konnte sie gar nicht schnell genug hinter mir lassen, aber jetzt vermittelte sie mir ein seltsam tröstliches Gefühl. Ich lächelte, und zum ersten Mal in meinem Leben freute ich mich, zu Hause zu sein. An der Tür stand keine Tasche, ich spürte weder Klaustrophobie noch hatte ich Angst, etwas zu verlieren. Seit drei Tagen war ich jetzt schon hier, holte Schlaf nach und gönnte meinem erschöpften Körper ein wenig Ruhe. Mein Bein war gebrochen, der Knöchel verstaucht, und ich hatte eine Wunde am Hinterkopf, die mit zehn Stichen genäht worden war. Aber jetzt war ich zu Hause, und ich war glücklich. Ich dachte oft an Helena, Bobby, Joseph und Wanda, ich sehnte mich manchmal auch nach ihnen, aber ich wusste, dass sie verstehen würden, was mir passiert war. Vielleicht hatten sie es schon die ganze Zeit über verstanden.
    Es klopfte.
    »Herein!«, rief ich.
    Gregory streckte den Kopf durch den Türspalt und kam dann mit einem vollbeladenen Tablett herein.
    »O nein«, stöhnte ich, »nicht schon wieder! Ich glaube, ihr habt es alle darauf abgesehen, mich zu mästen.«
    »Wir versuchen nur, dich gesund zu machen«, entgegnete er und stellte das Tablett auf mein Bett. »Ms. Butler hat dir Blumen gebracht.«
    »Das ist aber nett von ihr«, sagte ich. »Hältst du mich immer noch für irre?« Sobald ich wieder einigermaßen zusammenhängend reden konnte, hatte ich ihm erzählt, wo ich gewesen war. Offensichtlich hatten meine Eltern ihn schon gebeten, mit mir darüber zu sprechen, aber er war auf die Rolle des Therapeuten ganz und gar nicht scharf. Nicht mehr. Das war vorbei. Jetzt war alles anders.
    Er ignorierte meine Frage geflissentlich. »Ich hab heute mit Jack Ruttle gesprochen.«
    »Gut, ich hoffe, du hast dich bei ihm entschuldigt.«
    »Und wie.«
    »Gut«, wiederholte ich. »Denn ohne ihn wäre ich wohl buchstäblich im Straßengraben verreckt. Mein eigener Freund hat es nämlich nicht für nötig gehalten, sich dem Suchtrupp anzuschließen«, schnaubte ich.
    »Ehrlich, Sandy, wenn ich jedes Mal einen Suchtrupp angeheuert hätte, wenn du mal verschwunden bist …« Er vollendete den Satz nicht. Es sollte wohl ein Witz sein, aber er kam nicht an.
    »Na ja, es wird nicht wieder vorkommen.«
    Er sah mir in die Augen. »Ist das dein Ernst?«
    »Ja, ich verspreche es. Ich habe gefunden, was ich gesucht habe.« Ich streckte meinen unverletzten Arm aus, um ihm die Wange zu streicheln.
    Er lächelte, doch ich wusste, dass er einige Zeit brauchen würde, um mir wirklich zu glauben. Ich hatte mich die letzten Tage selbst gefragt, ob ich das alles glauben konnte.
    »Was hat Jack sonst noch gesagt?«
    »Dass er zu der Stelle zurückgegangen ist, wo er dich gefunden hat, um die Fotos zu suchen, von denen du gesprochen hast. Aber anscheinend hat er nichts gefunden.«
    »Glaubt
er
denn, dass ich verrückt bin?«
    »Wahrscheinlich. Aber er mag dich immer noch, weil er überzeugt ist, dass du und deine Mum ihm geholfen haben, seinen Bruder zu finden.«
    »Er ist echt ein lieber Kerl. Wenn er nicht gewesen wäre …«, wiederholte ich, um Gregory zu ärgern.
    »Wenn du dir das Bein nicht schon selbst gebrochen hättest, würde ich es jetzt für dich erledigen«, drohte er, wurde aber gleich wieder ernst. »Hast du mitbekommen, dass deine Mum einen Anruf von den Leuten gekriegt hat, die vor Jahren das Haus deiner Großeltern gekauft haben?«
    »Ja.« Ich entfernte die Kruste von einer Scheibe Toast und steckte sie in den
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