Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht
Autoren: Cecelia Ahern
Vom Netzwerk:
der Kühle des Abends war es inzwischen richtig kalt geworden, und ich fröstelte. Wieder richtete ich den Strahl der Taschenlampe auf den Weg vor mir. Anscheinend hatte ich das Foto doch näher bei Jenny-Mays Haus verloren, als ich gedacht hatte.
     
    »Wo bin ich?« Orla Keane trat als Dorothy Gale auf die Bühne und sah sich verwundert in der Gemeinschaftshalle um, die sich heute Abend in einen Theatersaal verwandelt hatte. »Was ist das für ein seltsames Land?«
     
    Dreißig Minuten später, nachdem ich alle vier Himmelsrichtungen durchprobiert hatte, erkannte ich schwitzend und keuchend vor mir die erste Lichtung. Ich blieb stehen und hielt mich an einem Baum fest, um ein bisschen zu verschnaufen. Dankbar atmete ich auf, und jetzt konnte ich mir eingestehen, dass ich mehr Angst hatte, mich zu verirren, als mir klar gewesen war.
     
    »Ich brauch ein Herz«, rief Derek. »Ich brauch Verstand«, verkündete Bernard theatralisch. »Und ich Courage«, setzte Marcus in seinem typischen, leise-gelangweilten Ton hinzu. Helena und Joseph lachten, und die drei Männer gingen Arm in Arm mit Dorothy rechts von der Bühne ab.
     
    In der Lichtung war es heller, da das Mondlicht besser durchkam. Der Boden war von dunkelblauen Schatten bedeckt, aber plötzlich sah ich in der Mitte ein kleines weißes Viereck glänzen. Obwohl ich völlig erschöpft war und mir die Brust vom Laufen wehtat, rannte ich auf das Foto zu. Mir war klar, dass ich schon viel länger unterwegs war, als ich vorgehabt und Helena versprochen hatte. Widerstrebende Gefühle überfielen mich – einerseits wollte ich unbedingt das Foto finden, andererseits war es mir wichtig, für Helena und meine neuen Freunde da zu sein. Zwischen meinen Wünschen hin und her gerissen, rannte ich unkonzentriert auf Barbara Langleys hochhackigen Schuhen durch die Dunkelheit, und wie nicht anders zu erwarten, stolperte ich, stieß ungeschickt gegen einen Stein und spürte, wie mein Knöchel umknickte. Der Schmerz war so heftig, dass ich das Gleichgewicht verlor, und plötzlich raste der Boden auf mich zu, so schnell, dass ich aufschlug, ehe ich einen einzigen klaren Gedanken fassen konnte.
     
    »Sie meinen also, dass ich die ganze Zeit über in mir die Kraft hatte, nach Hause zurückzukehren?«, fragte Orla Keane alias Dorothy unschuldig.
    »Ja, Dorothy«, antwortete Carol Dempsey als gute Hexe des Nordens mit ihrer sanften Stimme. »Du musst nur die Hacken deiner roten Schuhe zusammenschlagen und die Zauberworte sagen.«
    Helena drückte Josephs Hand noch fester, und er erwiderte den Druck.
    Orla Keane schloss die Augen und ließ die Fersen ihrer roten Schuhe klacken. »Es ist nirgends so schön wie zu Hause«, sagte sie, und alle fühlten sich mit in ihr Mantra eingeschlossen. »Es ist nirgends so schön wie zu Hause.«
    Joseph sah, wie seiner Frau eine Träne über die Wange rollte. Behutsam wischte er sie weg, damit sie ihr nicht vom Kinn tropfte. »Unsere Kipepeo ist davongeflogen.«
    Helena nickte, und eine weitere Träne machte sich auf die Reise.
     
    Ich fühlte, wie der Boden unter mir nachgab und stieß mit dem Kopf gegen etwas Hartes. Ein stechender Schmerz durchzuckte mein Rückgrat von oben bis unten, dann wurde alles schwarz.
    Auf der Bühne klackte Orla Keane noch einmal mit den roten Schuhen, ehe sie im Qualm des Feuerwerks verschwand, das Bobby inszeniert hatte. »Es ist nirgends so schön wie zu Hause.«

Vierundfünfzig
    »Ich glaube wirklich nicht, dass sie hier ist«, meinte Graham, als er mit Jack auf das Wäldchen bei Glin zuschritt. In der Ferne stieg gerade das Feuerwerk in den Himmel, mit dem man in Foynes das Finale des Irish Coffee Festivals feierte. Die beiden jungen Männer blieben stehen und legten den Kopf in den Nacken.
    »Ich hab das Gefühl, du könntest recht haben«, gab Jack schließlich zu. In den letzten paar Stunden hatten sie mit einem Suchtrupp ausführlich die Stelle abgesucht, wo Sandy ihr Auto abgestellt hatte, und selbst als es dunkel wurde, hatte Jack darauf bestanden weiterzumachen. Die Bedingungen waren alles andere als optimal, und Graham schaute immer wieder auf die Uhr. »Danke, dass du es mich wenigstens hast versuchen lassen«, sagte Jack, als sie jetzt zum Auto zurückwanderten.
    Auf einmal hörten sie ein Krachen, als wäre ein Baum umgestürzt. Dann ein dumpfer Aufschlag und ein Schrei. Eine Frauenstimme. Jack und Graham erstarrten und sahen sich an.
    »Was war denn das?«, rief Graham, wirbelte herum und leuchtete
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher