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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao
Autoren: Anton Gill
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erbeten, um den Fall noch einmal zu untersuchen. Es war ein mageres Jahr gewesen, mit niedrigem Hochwasser und einer schlechten Ernte. Die beiden jungen Männer mußten damit rechnen, daß ihnen zur Strafe die Nase und die Finger der rechten Hand abgeschnitten wurden.
    »Es war nicht schwer, diese Anklage niederzuschlagen. Die Aufseher des Kornspeichers brauchten einen Sündenbock. Sie waren nachlässig gewesen«, sagte Huy. Wie alt war dieser Medjay jetzt? Jetzt verstand er den Mangel an Ehrerbietung. Es war Vertraulichkeit gewesen, eine unbeholfene Freundlichkeit - und Huy war zu sehr auf der Hut gewesen, um es zu bemerken.
    »Tut mir leid, daß ich dir heute schlechte Nachrichten bringe.«
    »Einiges davon hatte ich erwartet. Nach dem, was passiert ist...« Huy zögerte; er wollte weitersprechen, wollte fragen, weshalb der neue Pharao seinen Namen von Tutenchaton zu Tutenchamun gemacht hatte, wollte Fragen stellen wegen der Anrufung des Amun im Brief. Aber wie weit konnte er Maiherpri trauen? Der Mann war jetzt ein Medjay, und Huy war ein arbeitsloser Unterbeamter eines Regimes, das mit dem Tod Semenchkares offiziell in Ungnade fallen würde. Er wechselte die Richtung.
    »Hast du Zeit für ein Bier?« Er erinnerte sich an seine Gastgeberpflichten.
    Der Medjay warf einen Blick zur Sonne, die über ihnen langsam durch das blaue Stück Himmel wanderte. Er entspannte sich und nahm wieder Platz. »Ja. Aber ich kann nicht lange bleiben und auch nicht viel sagen.«
    Huy holte einen Krug mit rotem Bier und zwei glasierte Becher, dazu ein flaches würziges Brot. Während er damit hantierte, überlegte er sich, wie er die Fragen, die jetzt nach vorn drängten, am besten stellte. Gleichzeitig versuchte er, sich mit dem, was ihm geschehen war, abzufinden. Der vorherrschende Gedanke war der, daß er keine Familie mehr hatte, die mit ihm zusammen in Ungnade fiel. Gleichzeitig fühlte er sich einsamer denn je.
    Maiherpri nahm sein Bier und trank in kleinen Schlucken. »Natürlich wird es Edikte geben. Ich kann nicht sagen, wie sie aussehen werden. Ich weiß aber, daß man vielen Schreibern deines Ranges angeboten hat, ihre Laufbahn fortzusetzen, wenn sie dem Aton abschwören und sich wieder dem Amun zuwenden. Der neue König erwartet von allen seinen Beamten, daß sie seinem Beispiel folgen.«
    »Mir hat man diese Möglichkeit nicht angeboten. Nicht in diesem Brief.« Und bei sich dachte Huy: Der König ist neun Jahre alt. Wer steckt hinter all dem?
    »Nicht allen hat man es angeboten. Ich weiß nicht, warum. Viele der höheren Beamten wurden ins Exil geschickt und manche umgebracht.«
    »Wann hat das alles angefangen?«
    »Ich weiß nicht. Sie wollten alle Anhänger des alten Regimes rasch beseitigen. Der neue
    Gottkönig wird in zwei Tagen ausgerufen, einen Tag, bevor Anchkeprure Semenchkare ins Grab gelegt wird. So kann er die Zeremonie der Öffnung des Mundes vollziehen.«

    Semenchkare wurde im neuen königlichen Gräberkomplex in der Stadt des Horizonts zu seinen Vorfahren gebracht. Sein Grabgewölbe und der Totentempel waren hastig und oberflächlich vollendet worden. Die Arbeitskolonnen hatten nicht einmal Zeit gehabt, ihren Bauschutt vom Eingang fortzuräumen, und der Tura-Kalkstein der Fassade trug noch die Spuren der Klauenmeißel - man war nicht dazu gekommen, sie zu polieren. Keine große Menschenmenge säumte den Weg vom Tempel der Sonne, wo die Prozession ihren Anfang nahm. Huy sah mit Bedauern, daß das große Gebäude mit den klaren, zum Himmel hin offenen Linien, bereits ausgeplündert worden war. Es war als einziges zu Echnatons Lebzeiten vollständig fertiggestellt worden und sein Stolz und seine Freude in strahlender Farbenpracht gewesen. Enten, junge Stiere und Lotosblüten in Fayencen tanzten und sprangen lebendig und kraftvoll im Sonnenlicht, das sie anbeteten und das ihnen neues Leben brachte. Heute waren die meisten der Leute, die dieses Wunderwerk der Kunst geschaffen hatten, verschwunden. Wie schnell etwas verfällt, wenn seine Lebenskraft erloschen ist, dachte Huy. Echnatons
    Körper hatten sie einbalsamiert, aber seine Ideen, sein Herz waren im Winde verweht.
    Nur wenig von dem einfachen Ritual, das Echnaton eingeführt hatte, fand sich bei Semenchkares Bestattung wieder. Man kehrte zu den Gepflogenheiten zurück, die unter den alten Göttern geherrscht hatten. Auf dem Bestattungsschlitten ruhte, geschützt in einem Schrein, die Mumie in ihrer bunt bemalten Zedernholzhülle. Zwei Ochsen zogen den
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