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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao
Autoren: Anton Gill
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Schlitten mühsam über die Straße zu den Grabfelsen, und dahinter zogen acht Hausbedienstete einen zweiten Schlitten mit den Eingeweiden, bewacht von den Söhnen des Horus: Duamutef, der Schakal, für den Magen; Qebhsenuef, der Falke, für die Gedärme; Hapy, der Pavian, für die Lunge und Imsety, der Mensch, für die Leber. Neben der Mumie gingen zwei Frauen, Hofschauspielerinnen, die die Göttinnen Isis und Nephthys dar stellten, die göttlichen Beschützerinnen. Dem zweiten Schlitten folgten fünfzig Frauen, berufsmäßige Trauerweiber, deren formeller Klagegesang den Morgenhimmel erfüllte. Es folgten die Neun Freunde und die Palastdiener, die das Mobiliar des Grabes trugen, denn Semenchkares Ka würde darin wohnen und es nie mehr verlassen.
    Huy sah, daß an der Spitze des Zuges Mery-re, der Hohepriester des Aton, gegen einen Mann ausgetauscht worden war, den er nicht kannte. Ihm folgten Ay und Haremheb, und der junge Pharao ging zwischen ihnen wie ein Gefangener.
    Huy folgte der Prozession, hielt sich aber in einigem Abstand, denn nur am Eingang zum Totentempel waren viele Zuschauer, und er hatte kein Verlangen danach, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Am Eingang warteten die Muu : Tänzer und der Anubis-Priester mit seiner Schakalkopfmaske. Der Leichenzug erreichte den Eingang in dem Augenblick, als die Sonne den Rand des Horizonts durchbrach und das blaugraue Licht einem blassen Goldglanz wich. Das Geheul der Klageweiber verstummte, und während die Tänzer den Willkommenstanz vollführten, näherten Haremheb und der junge König sich dem Schakalköpfigen. Huy sah, daß Nebcheprure Tutenchamun dabei sehr nervös war, sich aber beherrschte. Vielleicht würde er eines Tages einen König abgeben, der sogar Haremheb im Griff hatte.
    Die begleitenden Priester hatten große Mühe, den schweren Sarg hochzutragen und auf die Füße zu stellen; ihre schwitzenden Handflächen rutschten an dem glatten Holz ab und hinterließen dunkle Spuren. Dann hob der neue Pharao, geführt von dem Schakalköpfigen, die Hand und berührte den Mund des alten Pharao mit dem Heiligen Querbeil und den Vier Heiligen Amuletten.
    »Dies sind die Zeichen, mit denen ich, der Sohn-den-du-liebst, deinen Mund, deine Augen, deine Ohren, deine Nase öffne; ich gebe Gefühl in deine Fingerspitzen und in die Sohlen deiner Füße; ich öffne die Schleusen der Kanäle deines Körpers: Sei nun, wie du warst im Leben, bewacht von deinem Ka.«
    Huy blieb nicht bis zum Ende der Zeremonie, der rituellen Einrichtung des Tempels, dem Aufträgen des ersten Mahles und dem Versiegeln des Grabes. Nicht ohne schlechtes Gewissen verließ er diese wichtige Bestattung, aber er war zu sehr Anhänger der Doktrin, die Echnaton ihn gelehrt hatte, als daß er wirklich den Zorn der alten Götter gefürchtet hätte. Er brauchte Antworten auf einige Fragen. Solange die Aufmerksamkeit der Behörden durch die Bestattung abgelenkt war, konnte er vielleicht unter den Seilen des Gesetzes hindurchschlüpfen und mit einem seiner früheren Kollegen sprechen. Ihm war kein Medjay aufgefallen, der eigens abkommandiert worden wäre, um ihn zu beobachten, und für derartige Aufmerksamkeit war er wohl auch nicht wichtig genug; aber er mußte vorsichtig sein. Weshalb hatte man ihm nicht die Möglichkeit gegeben, zu widerrufen?
    »Die halten dich für einen Unruhestifter -deshalb. Und natürlich haben sie recht«, schniefte Tehuty, den er in einem staubigen Archiv ausfindig gemacht hatte - zum Glück weit weg von allen anderen, denn sonst wäre der Mann niemals bereit gewesen, mit ihm zu reden — Ex-Schwager hin, Ex-Schwager her. »Die wollen Leute, auf die sie sich verlassen können. Die alte Art ist tot. Sie hat das Land auf die Knie gezwungen.«
    »Sie wollen Leute, die nicht aus der Reihe tanzen, sondern tun, was man ihnen sagt«, stellte Huy fest. Das war allerdings plausibel.
    »Genau. Man weiß Bescheid. Du hast deine Befugnisse schon früher überschritten; du warst einer der ersten, die herkamen, als die Stadt eröffnet wurde. Und du bist geschieden.«
    »Das ist die Hälfte der Bevölkerung.«
    »Nicht die verantwortungsbewußte Hälfte.«
    Huy wandte sich entmutigt ab. Aus Tehuty würde er kein vernünftiges Wort herausbekommen; der vorwurfsvolle Ton verhieß, daß sein ehemaliger Schwager die Unterhaltung auf rein persönliche Dinge beschränken wollte. Tehuty war ein Jahr älter als Huy, hatte aber für die kurze und unwichtige Regierung Tutmosis II. Archivar bleiben
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