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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao
Autoren: Anton Gill
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den er aufgestört hatte, krabbelte in die Dunkelheit hinter dem Stapel. Tehuty warf Huy einen Blick zu und klemmte sich die Rolle sorgfältig unter den Arm, bevor er durch den düsteren Korridor weg vom Eingang und auf einen anderen Dokumentenstapel zuging. Huy folgte ihm. Als Tehuty das Gefühl hatte, in sicherer Entfernung zu sein, drehte er sich um und schob sein Gesicht dicht vor Huys. Huy konnte die Süßzwiebeln riechen, die er anscheinend zu Mittag gegessen hatte.
    »Tja, es ist wohl kaum Geheimsache, aber wenn ich erwischt werde, wie ich es vor der öffentlichen Bekanntgabe einem wie dir erzähle, dann wird mich das bestimmt die Nase und die Lippen kosten.«
    Huy verkniff sich den Satz, daß wohl kein wirklich Mächtiger so kleine Fische wie sie auch nur eines Blickes würdigen dürfte. Statt dessen machte er ein gebührend ehrfürchtiges Gesicht.
    »Sie bringen die ruhmreichen alten Götter zurück«, sagte Tehuty. Sogar im Geheimen war er streng auf der Parteilinie. »Amun wird seinen rechtmäßigen Platz im Pantheon wieder einnehmen. Darum hat der König beschlossen, seinen Namen zu ändern und den ketzerischen abzulegen, mit dem er unglücklicherweise geboren wurde. Der Name dieses erfundenen Gottes aber, dieses sogenannten Aton, wird ausgelöscht werden.«
    Huy hielt in der Dunkelheit den Atem an. Die Neuigkeit überraschte ihn nicht. Haremheb war ein praktisch denkender Mensch und mußte diesen Weg einschlagen, wenn er das sinkende Staatsschiff verlassen wollte. Das Neue Denken hatte sehr viel mehr Feinde als Freunde gefunden, und der Verlust des Nördlichen Reiches hatte Echnatons Sturz beschleunigt. Gleichwohl, und obschon der alte König am Ende dem Wahnsinn verfallen war, trauerte Huy. Das Land gehörte dem Pharao. Das Volk gehörte dem Pharao. Der Pharao durfte nicht in Frage gestellt werden. Auf dieser Ordnung hatte die Stabilität von zweitausend Jahren basiert. Jetzt war sie erschüttert. Nicht so sehr, daß es den meisten Leuten etwas ausgemacht hätte; für die ließ sich alles wiederherstellen, und Haremheb war der richtige Mann dafür. Aber Huy war anderer Meinung. Er hatte entdeckt, was es bedeutete, ein Individuum zu sein und Fragen zu stellen, und so trauerte er auch um sich selbst.
    Er wandte sich zum Gehen, aber Tehuty hielt ihn zurück. »Da ist noch mehr. Der Name des alten Königs wird getilgt werden. Aus jedem Monument wird sein Name herausgemeißelt werden, so wie er den Namen Amuns herausmeißeln ließ. Ohne seinen Namen wird er den Tod jenseits des Todes sterben. Er wird nicht einmal mehr sein.«
    Huy starrte ihn mit einer Leidenschaft an, derer er sich unter soviel Druck gar nicht für fähig gehalten hätte. »Sein Name wird ewig leben.«
    »Das ist ein Kapital vergehen. Blasphemie, mein Freund.« Tehuty lächelte sein schmales Lächeln, und Huy sah, daß er sich jetzt prächtig amüsierte. »Ich würde nicht ’rumlaufen und sowas vor allen Leuten aussprechen.«

    Zehn Tage später zog Huy daheim eine Abschrift der Beschreibung der Stadt heraus. Sie stammte vom leitenden Architekten, Bek; er hatte sie Jahre zuvor angefertigt, kurz nach seiner Ankunft. Dem Medjay hatte er sie vorenthalten. Jetzt las er den kurzen Abschnitt noch einmal. Es war eine Lehrlingsarbeit gewesen, und die Hieroglyphen waren wunderschön gearbeitet. Im staubigen Hof seines Häuschens erschien ihm die Hoffnung, die darin lag, wie ein Hohn.
    Nach zwölf Jahren ist der zentrale Teil nun fertiggestellt. Noch haben wir nur ein Zehntel des vom Aton für die Stadt auserwählten Landes genutzt, aber jetzt rasten wir. Bald, wenn der Feind im Norden durch die Weisheit des Aton zur Ruhe gebracht ist, werden wir fortfahren. Gott muß nur den König schützen. Darauf richten sich alle unsere Gedanken. Hier in der Stadt hören wir nur noch wenig von der Welt dort draußen.
    Unterdessen wird die Stadt wachsen, und sie wird die Ewigkeit überdauern. Wenn sie fertig ist, wird sie die größte Stadt der Welt sein. Die Südliche Hauptstadt mit ihren falschen Göttern und ihrer Inhumanität wird zu nichts zerfallen, und das Licht des Aton wird die ganze Erde bescheinen. Sogar die Finsternis des Nordens wird vor seinem Licht vergehen.
    Wie freue ich mich darauf, wieder mit der Arbeit zu beginnen! Wieviel habe ich noch zu tun, jetzt, da ich weiß, was ich tun muß! Die Stadt beschäftigt mich vollständig. Sie muß wachsen wie ein Wald: natürlich, in Schönheit und ohne Symmetrie. Die Säulen werden mit Ranken verziert und
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