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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao
Autoren: Anton Gill
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bestimmt bald ein«, sagte sie. »Allein können sie unmöglich weit gekommen sein.«
    Huy fragte sich, was sie wohl dachte. Vielleicht wollte sie ihren Mann retten, ihn zur Vernunft bringen, jeden Skandal vermeiden. Vielleicht war es so einfach. Vielleicht dachte sie auch überhaupt nichts. Vielleicht tat sie, was sie tat, einfach nur, um irgend etwas zu tun. Er wünschte, er hätte Aset holen können.
    Etwas stieß leicht gegen die Bootswand, und als sie weiterglitten, wirbelte das Wasser hinter ihnen rot.
    »Krokodile«, sagte einer der Matrosen leise zu Huy. »Keine Angst. Unser Boot ist zu groß für sie.«
    »Was ist, wenn sie ans Ufer gerudert sind und an Land weitergehen?« wollte Taheb wissen.
    »Wohin sollten sie gehen?«
    »Ich frage mich sowieso, wohin sie wollen.«
    Plötzlich entdeckten sie in der Dunkelheit noch dunklere Umrisse, undeutlich und verschwommen, weil sie noch zu weit weg waren.
    »Rudert schneller«, sagte Huy.
    Die Matrosen gehorchten.
    Als sie näherkamen, sahen sie, daß das kleine Boot vor ihnen auf und ab hüpfte - sehr viel heftiger, als es durch irgendeine Bewegung der Strömung hätte ausgelöst werden können.
    Gleichzeitig drangen ferne Schreie an ihre Ohren.
    Die Matrosen schauten in die Richtung, aus der die Schreie kamen; sie drehten das Boot mit der Breitseite gegen die Strömung und hielten es dort.
    »Was macht ihr denn?« schrie Huy.
    »Unser Leben retten«, antwortete der Matrose, der schon zuvor gesprochen hatte, gleichmütig.
    »Du hast gesagt, wir sind so groß, daß uns die Krokodile nicht gefährlich werden können.«
    »Wenn es so viele sind, ist das was anderes.«
    Taheb versuchte aufzustehen, und das Boot begann heftig zu schaukeln. »Amotju!« rief sie, und abgrundtiefer Schmerz lag in ihrer Stimme.
    Die Strömung trug das kleine Boot davon. Ringsherum begann das Wasser zu kochen. Mit Mühe konnten sie erkennen, wie die zwei Menschen an Bord mit ihren Rudern ins Wasser stachen. Dann verschwand der letzte Lichtschimmer aus dem Himmel, und der Wind trug keine Schreie mehr herüber.

    Auf dem Fluß unterzugehen, galt als höchst ehrenvoller Tod. Als die Leichen nicht gefunden wurden, gab man Statuen von Amotju und Mutnofret in Auftrag, die den Kas in ihren Gräbern als Gastgeber dienen sollten. Amotjus Standbild stellte man in das Grab seines Vaters hinter die große Zedernholztür. Mutnofrets Statue kam in das Grabgewölbe ihres Mannes, das sich nicht im Tal, sondern auf dem Grabgelände der Nördlichen Hauptstadt befand. Taheb leitete das Totenbegängnis ihres Mannes mit starrer Würde; kein Wimpernzucken ließ etwas von der Qual erahnen, mit der sie den Namen ihres Mannes geschrien hatte.
    Was Huy anging, so war seine Arbeit getan. Es gab nichts zu berichten, keine Akte zu schließen, keinen Gewinn zu erzielen. Irgendwie hatte sich die Zeit über der ganzen Angelegenheit geschlossen, wie sich das Wässer des Flusses über einem Stein schließt, den man hineingeworfen hat. Das Schwerste war es, Aset alles zu erzählen. Ihr Schmerz war so intensiv, wie der Tahebs eisig war, aber Huy war gleichwohl davon ausgeschlossen. Er fragte sich, ob Amotjus Liebe zu Mutnofret am Ende nicht doch ein Geheimnis barg.
    Er kehrte in sein kleines Haus in der Stadt zurück. Es erschien ihm dunkel und schäbig, und es war voller Geister. Amotju, Rechmire, Ani, aber auch Aahmes und der kleine Heby, nach dem er sich so sehr sehnte, daß er fast die Kraft des kleinen Körpers in seinen Armen fühlen konnte. Die Tage vergingen. Die Priester machten sich daran, mit neuer Kraft den Namenszug des alten Königs aus allen Denkmälern und Säulen zu tilgen. Den Medjays gelang es durch ständige Kontrollen, die Grabräubereien im Tal einzuschränken. Die Sonne schien, und der Fluß strömte.
    Huy machte sich daran, den Rest seines Lebens in die Hand zu nehmen.
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