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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao
Autoren: Anton Gill
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Königs, der Oberste der Beiden Länder, der General der Generäle.
    Es war schade, daß sie sich keinen Platz auf der königlichen Barke hatte sichern können; aber die Plazierung der Herrlichkeit-des-Amun in der Flottille war eine angemessene Entschädigung. Die Barke hatte trotz Amotjus Abwesenheit die höchste Position von all denen, die nicht dem Adel angehörten. Beim Gedanken an ihren Mann geriet sie in Wut. Was für ein Schwächling er war! Aber wenn ihre eigenen Ambitionen Wirklichkeit werden sollten, brauchte sie ihn noch für eine Weile. Vielleicht hatte der Schreiber Huy endlich gute Nachrichten für sie; das wäre ein kleiner Ausgleich, denn allmählich ging ihre Geduld zur Neige. Sie hatte gehofft, die Schlacht mit Rechmire wäre vor der Ankunft des Königs beendet.
    Auf den Molen und am Kai zu beiden Seiten des Flusses in der Südlichen Hauptstadt drängten sich die Menschen, in glitzerndes Weiß und Gold gekleidet. Als die Schiffe in Sicht kamen, ertönte Musik, und obgleich noch eine beträchtliche Strecke zurückzulegen war, trug das Wasser die Klänge der Instrumente zu ihnen hinüber, vor allem das tschakatsckaka tschaka der Sistra.
    Der König war aufgestanden und lief jetzt, offensichtlich aufgeregt, nach vorn in den Bug seiner Barke, gefolgt von zwei Dienern, die ihre breiten Fächer schattenspendend über ihn hielten. Sie überredeten ihn, auf seinen Platz zurückzukehren, und machten sich daran, ihm den Pschent auf den Kopf zu setzen: die rotweiße Doppelkrone des vereinigten Schwarzen Landes.

    Bis zum Anlegen verging noch eine Stunde, und nach einer weiteren Stunde hielt Taheb es für angebracht, sich zurückzuziehen. Zweimal war es ihr gelungen, den Blick des Königs auf sich zu ziehen und ein Lächeln mit ihm zu wechseln: etwas, das theoretisch verboten war, aber der König war jung und sie war entschlossen, ihr Antlitz in sein Gedächtnis einzuprägen. Haremheb war dagewesen, aber während des öffentlichen Empfangs verriet seine strenge Miene nicht das geringste, und er schaute niemandem ins Auge als dem König. Dieser erwiderte den Blick mit einem sonderbaren Aus-
    druck, teils furchtsam, teils musternd, als betrachte er ein starkes Pferd, das eingeritten werden mußte - das ihn aber dabei abwerfen und umbringen konnte.
    Sie hatte vergebens nach Amotju oder Huy Ausschau gehalten; das ärgerte sie, aber immerhin hatte man ihr einen Wagen geschickt. Zufrieden sah sie, daß es der beste war, den sie besaßen, und er war so üppig mit kostbaren Tüchern drapiert, wie sie es sich nur wünschen konnte. Die begleitenden Diener waren allerdings nicht ihre persönlichen Leibdiener, die sie sofort nach Neuigkeiten aus dem Haus hätte befragen können, es waren Amotjus Kutscher und sein Ochsenknecht.
    Zu Hause erwartete Amotju sie im Innenhof. In der kurzen Zeit ihrer Trennung hatte er sich sichtlich erholt, und sie bemerkte, daß er offenbar trotz der fortgeschrittenen Tageszeit nicht getrunken hatte.
    Er sah sie mit solchem Ernst an, daß ihr der Tadel dafür, daß er sie nicht am Kai abgeholt hatte, auf den Lippen erstarb; Neugier trat an die Stelle ihrer schlechten Laune. Sie begrüßten einander förmlich, und in seinem Benehmen spürte sie eine noch größere Zurückhaltung als bisher. Vielleicht sollten sie besser aufhören, so zu tun, als hegten sie noch irgendwelche Gefühle füreinander. Taheb erwog kühl das Für und Wider der neuen Situation. Eine Scheidung würde ihre Stellung beeinträchtigen, aber seine ebenso. Sie bezweifelte allerdings, daß sein Ehrgeiz so stark wie ihrer war.
    So standen sie da und musterten einander, und keiner war erpicht darauf, zuerst das Wort zu ergreifen. Aus dem Inneren Hof kam Huy; auch er sah aus, als beschäftige ihn etwas. Zwar trafen sich ihre Blicke für einen Augenblick, aber er schaute rasch wieder weg. Auch das war etwas Neues, fand sie. Wenigstens war er immer offen gewesen; jetzt aber wirkte er genauso verschlagen wie jeder andere Intrigant in der Südlichen Hauptstadt.
    »Ihr seht aus wie zwei Verschwörer«, stellte sie schließlich fest.
    »Bist du müde?« fragte ihr Mann angespannt und lehnte sich an einen Stuhl.
    Sie betrachtete ihn mit wachsender Verwunderung. Die Reise war zwar weit, aber wohl kaum ermüdend. »Warum hast du mich nicht abgeholt? Du hast die Gelegenheit versäumt, dich dem König vorstellen zu lassen. Er hat dich erwartet.«
    »Der König wird sich sehr bald mit anderen Dingen beschäftigen müssen. Wahrscheinlich
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