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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao
Autoren: Anton Gill
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entdeckte Huy eine Handvoll neuer Kupfernägel.
    Er zündete seine Lampe an und schob sich vorsichtig durch den Verbindungsgang in die Grabkapelle; von dort aus wäre man ursprünglich in ein Vestibül gelangt, hinter dem die Außenwelt lag. Hierher wäre Rechmires Ka gekommen, um die Speiseopfer abzuholen. Obwohl das Grab nie benutzt worden war, schauderte es Huy unwillkürlich.
    In der Kapelle war es viel heller; sie wurde durch das Loch beleuchtet, das anstelle des inzwischen versperrten Zugangs zum dahinter gelegenen Vestibül klaffte. Die Maler hatten schon mit ihrer Arbeit begonnen, bevor das Grab aufgegeben wurde, denn Huy sah sich von Reihen schattenhafter Figuren umgeben, die jene Alltagsarbeiten verrichteten, die Rechmire auch nach seiner Ankunft auf den Feldern von Aarru erwarten würden. Huy stieß auf eine Szene, die ihn frösteln ließ. Sie zeigte Rechmire auf seiner Reise durch die zwölf Hallen der Dunkelheit, wie er den dort hausenden Dämonen begegnete und sie überwand, und wie er schließlich in die Halle der Zwei Wahrheiten kam, wo er respektvoll wartend stehenblieb, während Anubis sein Herz gegen die Feder des Maat aufwog. Thoth-der-Ibisköpfige notierte das Resultat in Gegenwart der Zweiundvierzig Richter; Hinter Thoth aber lauerte die Bestie Ammit, bereit, die Herzen der Ungerechten zu verschlingen.
    Noch anderes fand sich hier, Dinge, die nicht zum Grab gehörten. Ein Haufen weggeworfener Schabti-Yiguren - magische Modelle der Diener, die in der nächsten Welt für einen Toten sorgen sollten. Huy hob eine auf und betrachtete sie. Sie war aus Flußpferd-Elfenbein, mit Gold eingelegt und mit Karnelian, Türkis und Lapislazuli besetzt. Hinter den Figuren, die, wie Huy sah, alle von der gleichen hohen Qualität waren, lag eine kleine Menge loser Goldkörner. Das Gold war noch ziemlich unrein, und die Körner waren so, wie man sie in den Bergwerken tief im Süden findet, wo das geschmolzene Gold in Wasser gekippt wurde, damit es kleine, unregelmäßige Klümpchen bildete, die leichter zu transportieren waren, wenn es nicht wünschenswert oder möglich war, in groben, in den Sand gegrabenen Gußformen Barren zu gießen.
    Mochten die Schabti-Figuren Beute aus einem Grabraub sein, das Gold war es nicht. Huy wußte, woher es stammte.
    Aber es gab noch mehr. Vier breite Lederschlaufen hingen an der Wand an einem Nagel, der achtlos durch ein Gemälde von Horus-dem-Falkenköpfigen in den weichen Fels getrieben worden war. Das Leder war grob und hart und hatte dunkle Flecken von irgendeiner Flüssigkeit. Die Flecken waren neu. Huy hielt sich eine der Schlaufen unter die Nase. Sie roch nach Leder und nach Blut. Neben den Schlaufen hing noch etwas: Eine Krokodilmaske von der Art, wie sie Anis Kopf bedeckt hatte, als Huy seine Leiche fand.
    Die Erinnerung an diesen Anblick versetzte ihn ebenso in Panik, wie das plötzliche Begreifen dessen, was an diesem Ort geschehen war; Huy wich zurück, rannte den Gang hinunter zur inneren Kammer und verfluchte sich dafür, daß er seinen Rückzug nicht gesichert hatte. In seiner Hast stolperte er, fiel hin und zerschnitt sich dabei an den scharfkantigen Feuersteinen die Hände. Er kämpfte sich wieder hoch, griff nach oben und stemmte sich durch den Spalt ins blaue Dämmerlicht hinauf. Sein Instinkt trieb ihn, zu den Anlegestellen hinunterzurennen; statt dessen zwang er sich, in möglichst gerader Linie vom Grab zum Flußufer zu gehen.
    Es wurde allmählich so dunkel, daß er nichts mehr klar erkennen konnte, aber vor kurzem umgedrehte Steine und abgebrochene Pflanzen zeigten ihm den Weg. Der kürzeste Weg war der naheliegende, wenn man es eilig hatte und eine schwere Last zu schleppen oder mitzuschleifen hatte. Huy hatte keine Ahnung, wie frisch das Blut war, aber er wußte, daß es, wenn er es durch den schweren Geruch der Ochsenlederschlaufen noch immer wahrnehmen konnte, vor kaum mehr als vierundzwanzig Stunden vergossen worden war. Weder er noch Amotju hatten heftig geblutet - nur an den Händen, als sie über das Feuersteingeröll geschleift worden waren. Die Schlaufen, in denen man sie hatte hängen lassen, um ihnen im berauschten Zustand das Gefühl der Schwerelosigkeit zu geben, konnten also nicht von ihrem Blut befleckt sein.
    Eilig lief er weiter und hatte das Flußufer erreicht, bevor die kurze Dämmerung vorbei war. Täglich stieg das Wasser weiter, und seine Farbe wechselte von Grün zu Rot. Aber der Pegel erhöhte sich nicht so schnell wie erwartet. Huy
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