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0814 - Mister Amok

0814 - Mister Amok

Titel: 0814 - Mister Amok
Autoren: Jason Dark
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»Bitte, Sam, fahr nicht so schnell.« Amy Lester hatte den Satz geflüstert. Sie saß schweißgebadet neben ihrem Mann, die Hände lagen auf dem Bauch, der sich wie eine übergroße Kugel nach vorn wölbte. Sie trug neues Leben in sich. Die Wehen hatten bereits eingesetzt.
    Die Hebamme war nicht zu erreichen gewesen, und ihr Mann hatte blitzschnell die Entscheidung getroffen, Amy in den Wagen zu packen und zum Krankenhaus zu fahren.
    Eine gute Idee – wenn das verdammte Krankenhaus nur nicht so weit entfernt gewesen wäre. Wer auf dem Land lebte, der wohnte zwar ruhig, hatte aber Pech, was eine gewisse Versorgung anging.
    Das nächste Krankenhaus lag meist weit entfernt. Zwanzig Meilen in diesem Fall. Bei normalem Wetter eigentlich keine große Entfernung. In dieser Sintflut aber glich das Fahren schon einem lebensgefährlichen Spiel.
    Zudem war die Straße kurvig. Ein schwarzes, schäumendes Band, das in die Unendlichkeit zu führen schien, wobei das Wasser die Decke vollends hatte verschwinden lassen.
    Sam Lester, der Fahrer, glaubte zu schwimmen, wenn die Reifen den Bodenkontakt verloren hatten. Es war das berüchtigte Aquaplaning.
    Trotzdem fuhr er weiter.
    Er musste es tun. Auch dann, wenn die verdammte Welt um sie herum versank. Zudem gehörte er zu den Optimisten, denn irgendwo hatten die Lesters Glück. Bei diesem Wetter herrschte so gut wie kein Verkehr. Nicht ein Wagen war ihnen entgegengekommen, und sie waren schon mehr als sieben Meilen gefahren.
    Hoffentlich blieb das so.
    »Wir schaffen es, Amy.«
    Die blonde Frau lächelte. »Ja, Sam, ja, wir schaffen es. Ich vertraue dir. Wir haben bisher alles geschafft. Du wirst es schon packen.«
    »Das meine ich.« Er beugte sich noch weiter vor, als die hellen Strahlen über die nassen Bäume am Straßenrand wischten. Ihre Stämme sahen aus wie glänzende Arme, und das in dem Graben wachsende Gras kämmte der Wind. Es wirkte wie ein Teppich.
    Der Wind kam in Böen.
    Immer wieder rüttelte er an dem Mustang. Er schüttelte ihn durch, er war wütend, dass es der Wagen schaffte, ihm zu trotzen, auch wenn er hin und wieder ins Schlingern geriet, in Kurven zum Beispiel. Er hielt durch, er musste das Krankenhaus erreichen, und er wunderte sich darüber, wie tapfer seine kleine Amy war. Sie musste Schmerzen haben. Kein Wort der Beschwerde drang über ihre Lippen. Sie war angeschnallt und hatte die Hände auf ihren Bauch gelegt.
    Zwillinge würden es werden.
    Sogar Namen wussten die Lesters schon.
    Jory und Jake.
    Jungen, nur Jungen hatte sich Sam gewünscht, und der untersuchende Arzt hatte es bestätigt. Es würde ein Fest für die Lesters werden. Sie hatten alles vorbereitet. Der Kinderwagen, die Kinderwiege, das erste Spielzeug, es stand alles bereit. Nur musste das Kinderzimmer noch mit Leben erfüllt werden.
    »Bist du okay, Amy?«
    »Sicher.«
    Sie war nicht okay, das wusste Sam. Aber sie hielt durch, und sie war so verdammt tapfer. Da konnte er sie nur bewundern. Amy hatte viel durchmachen müssen, aber nie geklagt. Die lange Zeit der Schwangerschaft war schlimm für sie gewesen. Wie oft hatte es sie regelrecht niedergeschlagen, doch sie gehörte zu den Frauen, die sich immer wieder erholten und sich nie beschwerten.
    »Soll ich anhalten?«
    »Nein, Sam – warum?«
    »Weil ich das Gefühl habe, dass es dir schlecht geht. Die Kurven sind nichts für dich und die Kinder.«
    Amy schaffte ein Lachen. »Darling, es werden echte Lesters. Und wir Lesters können zubeißen. Oder hast du das vergessen?«
    »Nein, das habe ich nicht.«
    »Dann packen wir es auch.« Sam nickte. Er fuhr weiter, dies gegen seinen Willen. Er hätte seine Frau am liebsten in die Arme geschlossen und ihr gesagt, wie sehr er sie liebte. In diesen Sekunden beschloss er, sie nie und nimmer im Stich zu lassen, sollte kommen, was wollte. Für ihn gab es nur noch die Familie: Sie würden bald zu viert sein. Eine gewaltige Verantwortung, die ihr Leben stark beeinflussen würde. Es war vorbei mit den Feten, dem abendlichen Weggehen, jetzt würden die Freunde zu ihnen nach Hause kommen müssen, und Sam war gespannt, wer dann von ihnen noch übrig blieb.
    Die meisten aus ihrem Kreis hatten sich gegen Kinder entschieden.
    Sie verursachten nur Arbeit und kosteten viel Geld. Sam und seine Eltern dachten da anders. Für sie gehörten Kinder einfach zu einer Ehe, ohne sie gab es keine Familie. Ohne Kinder ging die Gesellschaft zugrunde, aber das sahen viele erst ein, wenn es zu spät war und sie zu alt
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