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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao
Autoren: Anton Gill
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beraubt hatte.
    »Zum ersten gibt es Kunde vom Nachfolger des Gottkönigs.«
    Sie hatten also keine Zeit verschwendet, dachte Huy. Wie sein Vorgänger war Semenchkare kinderlos gestorben; aber er war offensichtlich ein Liebling Echnatons gewesen und hatte die älteste Prinzessin geheiratet, noch ehe er Mitregent geworden war. Die Verbindung war besiegelt worden, als Echnaton selbst in aller Feierlichkeit auch seine älteste Tochter geheiratet hatte; Semenchkare aber hatte keinen Favoriten oder Nachfolger benannt. Er war jung gewesen und hatte geglaubt, noch genügend Zeit zu haben, um über solche Dinge nachzudenken. Im Geiste überflog Huy rasch die Möglichkeiten. Es gab zwei naheliegende Thronbewerber. Aber würden sie es wagen, sich so rasch zu Wort zu melden?
    »Es ist Tutenchaton.« Semenchkares Halbbruder also. Aber Tutenchaton war erst neun Jahre alt; es würde also einen Protektor geben müssen.
    Der Medjay machte keine Anstalten, sich zu rühren. Es kam also noch mehr. Bis jetzt hatte es kaum eine Erklärung für seinen Gesichtsausdruck gegeben. Nun zog er aus einer Falte seines Kilts eine Papyrusrolle hervor und stand auf, um sie dem Schreiber zu überreichen. Huy zögerte einen Moment, bevor er sie entgegennahm. Er merkte plötzlich, wie still die Mittagsluft war. Es war zu heiß für Vogelgezwitscher, und das unablässige Zirpen der Zikaden klang so vertraut, daß es als Stille gelten konnte. Huy fragte sich, ob der Medjay den Papyrus gelesen hatte; aber dann wurde ihm klar, daß Maiherpri nur ein Feldwebel war und wahrscheinlich gar nicht lesen konnte.
    Die Botschaft war knapp; es war offensichtlich eine von mehreren ähnlichen, denn sie war plump und hastig abgeschrieben. Huy fragte sich, wer von seinen Kollegen sie wohl auch erhalten hatte. Ein letzter Absatz war offenbar eigens für ihn angefügt worden.
    Es kam nicht völlig unerwartet. Im wesentlichen wurde ihm unter dem Siegel des neuen
    Pharao mitgeteilt, daß Schreiber und Hofbeamte seines Ranges mit sofortiger Wirkung von ihren Dienstpflichten befreit seien. Der Zugang zu ihren Büros sei ihnen fortan verwehrt und sie hätten dem Medjay, der ihnen diese Mitteilung überbringe, sämtliche Papiere, Amtssiegel, ja, selbst Notizen auf Kalksteinspänen, die sich noch in ihrem Haus befänden, auszuhändigen. Ihres Amtes enthoben, hätten sie die Anweisungen, jeglichen weiteren, geschäftlichen wie privaten, Umgang mit ihren früheren Kollegen zu unterlassen, und zwar bei Strafe des sofortigen Exils. Huy wußte, daß dies die Verbannung in eine der Oasen in der westlichen Wüste bedeutete, im Roten Land, oder in die Goldminen, die zwischen dem Fluß und dem Östlichen Meer lagen. Der Zusatz für ihn lautete schlicht: Siehe! Bei dem großen Gott Amun, dem Vater des Karnak, dem Vater und der Mutter des Schwarzen Landes, sowie bei seiner Verkörperung, dem König Tutenchamun, daß du deinen Beruf nicht mehr ausüben wirst, weder für den Staat noch für dich selbst.
    Huy blickte auf und sah Maiherpri in die Augen; zu seiner Überraschung entdeckte er dort zurückhaltendes Mitgefühl.
    »Du erinnerst dich nicht an mich, wie?«
    »Nein. Tut mir leid. Das hier ist ein Schock.«
    »Vorher hast du dich auch nicht erinnert.«
    »Dein Gesicht kommt mir bekannt vor.«
    »Das war es auch, bevor ich zur Polizei ging.
    Noch unter Nefercheprure Amenophis IV.« Huy bemerkte, daß der Beamte sorgsam darauf bedacht war, den Namen zu verwenden, mit dem Echnaton geboren war, nicht den, den er sich selbst verliehen hatte. »Mein Bruder und ich waren beschuldigt worden, aus dem südwestlichen Kornspeicher in der Südlichen Hauptstadt Gerste gestohlen zu haben. Du hast uns geholfen.«
    Jetzt erinnerte sich Huy, und er wunderte sich, wieso es ihm nicht schon eher eingefallen war. Es war einer jener kleinen, zufälligen Erfolge gewesen - eine Abweichung von der Routine seines Berufes -, auf die er stolz gewesen war. Sieben Jahre war es her; Aahmes war damals mit dem kleinen Heby schwanger gewesen. Zwei Halbwüchsige, flüchtig in der Dämmerung gesichtet, hatten den Kornspeicher bestohlen. Diese beiden Brüder waren verhaftet und angeklagt worden - ein solcher Routinefall, daß Huy, damals ein blutiger Anfänger, mit dem Papierkram betraut worden war; nicht einmal Papyrus hatte die Sache gelohnt, sondern bloß Kalksteinspäne. Aber das Indizienmaterial war dermaßen dünn gewesen, daß er Einwände hatte erheben müssen, und er hatte sich von seinem Vorgesetzten Urlaub
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