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Verlockendes Dunkel

Verlockendes Dunkel

Titel: Verlockendes Dunkel
Autoren: Alix Rickloff
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die Seele anzurühren. Es war einfach nur Musik.
    Sie nahm die Hände von den Tasten und ließ Tante Pheeneys Worte überlaut in der jähen Stille hängen. »… zu dünn und zu still. Das ist ungesund.«
    Nicht zum ersten Mal erwischte sie ihre Tanten bei einem Gespräch über sie, das sie führten, als wäre sie nicht da oder als machte der Kummer sie taub wie eine Nuss. Anfangs war es ihr egal gewesen, doch nach Monaten verstohlener Blicke und literweise warmer Milch begann die Sorge der alten Damen sie zu nerven. Konnten sie nicht sehen, dass es ihr gut ging und alles vollkommen in Ordnung mit ihr war? Was machte es schon, dass sie Dun Eyre nicht so oft verließ wie früher? Sie genoss das Gefühl des Friedens, das sie zu Hause empfand. Außerdem unternahm sie ausgedehnte Spaziergänge durch den Park und lange Ausritte über die Felder, verbrachte Stunden mit Mr. Adams über den Rechnungsbüchern, las Zeitung und besuchte die Pächter.
    Elisabeth hatte sogar begonnen, die alten Treibhäuser ihrer Großmutter in Ordnung zu bringen, befasste sich viele Stunden mit Sämlingen und Ablegern und bombardierte die Gärtner mit Fragen zur Verbesserung der Erde und Bewässerung. Außerdem las sie bis spät in die Nacht hinein Reptons Ansichten zur Landschaftsgestaltung.
    Sie stellte fest, wie sehr sie den Frieden genoss und wie viel Befriedigung sie in schmutzigen Fingernägeln und Röcken und einem Gesicht voller Sommersprossen von der Sonne fand. Und wenn all das sie genug ermüdete, um nachts Schlaf zu finden, umso besser, obwohl sie das weder Tante Fitz noch Tante Pheeney gestehen würde. Die beiden behandelten sie auch so schon wie eine genesende Invalidin – oder wie eine Kandidatin für das Irrenhaus.
    »Du hättest sie vorher fragen sollen«, murmelte Tante Fitz.
    »Sie hätte niemals zugestimmt, wenn ich gefragt hätte.« Tante Pheeneys Bühnenflüstern drang durch den großen Salon zu Elisabeth hinüber.
    »Trotzdem hättest du …«
    »Ihr wisst, dass ich euch hören kann?«, rief Elisabeth den beiden zu.
    Tante Pheeney sprang nervös vom Sofa auf, und ein Ausdruck der Verwirrung huschte über ihr rundliches Gesicht. »Wie bitte? Sagtest du etwas, Liebes?«
    Elisabeth verließ das Klavier, um sich zu ihren Tanten an den Kamin zu setzen. »Ich sagte, ihr beide seid ungefähr so diskret wie eine Herde in Panik geratener Ochsen.«
    Sie ignorierte Tante Pheeneys Hand, die sich in mütterlicher Fürsorge an ihre Stirn legte, lehnte einen Schal gegen die winterliche Kälte ab und verzichtete auch auf das ihr angebotene Kissen für den Rücken, »da dieser Sessel schon immer unbequem gewesen ist.«
    Tante Fitz betrachtete sie nur ruhig unter halb gesenkten Lidern hervor, bevor sie einen Brief von einem Tablett neben ihrem Sessel nahm. »Da ist etwas für dich gekommen. Aus Belfoyle.«
    Tante Pheeney nahm ihrer Schwester den Brief aus der Hand und reichte ihn mit einem verdächtig zufriedenen Lächeln an Elisabeth weiter. »Mach ihn auf! Es könnte etwas Wichtiges sein.«
    Elisabeth hasste es, wie ihr Herz zu rasen begann. Als könnte wie durch ein Wunder nach all dieser Zeit doch noch die Nachricht kommen, Brendan sei zurückgekehrt.
    Sie riss das Wachssiegel auf und überflog die Seite. »Es ist von Cat«, berichtete sie, obwohl sie das Gefühl hatte, dass ihre Tanten das schon wussten. Wahrscheinlich hatten sie es aus einem jähen Geistesblitz heraus sogar arrangiert. Sie konnte sie schon beinahe sagen hören: Wir werden sie zwingen, aus ihrem Schneckenhaus herauszukommen, wie man eine Krebsschale aufbricht.
    Tja, das Problem war nur, dass sie ihr Schneckenhaus liebte, also vielen Dank!
    »Cat lädt uns ein, zu Weihnachten zu ihnen zu kommen. Sabrina und Daigh MacLir werden mit ihrer Tochter dort sein, und Jack O’Gara ist auch eingeladen. Sogar Miss Roseingrave und ihre Großmutter werden erwartet.«
    »Oh, das klingt ja wundervoll! Es gibt nichts Schöneres als ein Haus voller Freunde und Familie, um ein schönes Fest zu verbringen«, schwärmte Tante Pheeney und grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Und Kinder dabeizuhaben macht es noch viel besser, nicht? Ist es nicht das erste Weihnachtsfest von Lord Kilronans Jungen? Ich habe Seine Lordschaft neulich erst gesehen. Er war stolz wie ein Pfau.«
    Elisabeth spürte, wie der Klumpen in ihrer Kehle zu ihrem Magen hinunterglitt. Ein Kind. Brendans Kind. Wie gern hätte sie ein Kind von ihm gehabt, aber wie so vieles andere war es ihr nicht bestimmt gewesen. Nicht
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