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Verlockendes Dunkel

Verlockendes Dunkel

Titel: Verlockendes Dunkel
Autoren: Alix Rickloff
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Schiff nach Irland hatten nehmen können.
    Elisabeth war damals zu betäubt gewesen, doch heute fragte sie sich, wie er das alles geschafft hatte. Ein halb nackter Mann und eine benommene und verschmutzte Frau, die aus dem Nichts heraus erschienen waren. Sie hatten Glück gehabt, dass sie nicht verhaftet worden waren – oder ihnen nicht noch Schlimmeres widerfahren war.
    Killer hatte sie am Vorabend ihrer Ankunft in Dublin verlassen. An ihrem letzten Morgen an Bord war sie in einer leeren Kabine erwacht und hatte sich den neugierigen Blicken des Kapitäns des Schiffes stellen müssen. Aber was konnte sie schon sagen? Mein Begleiter hat sich in einen Vogel verwandelt und ist davongeflogen?
    Und so hatte sie hartnäckig geschwiegen, schon auf dem Schiff und auch während der darauffolgenden Tage, in denen alle klug genug gewesen waren, keine Fragen zu stellen. Ein einziges Wort nur, und sie könnte zusammenbrechen. Eine Berührung könnte sie in Staub verwandeln. Sie blieb zu wund, zu verletzlich. Jeder ihrer Nerven schrie. Jeder Traum enthielt ein kristallklares Bild von Brendans Körper unter einem blutrot gefärbten Himmel.
    Erst Aidans Ankunft hatte Elisabeth wieder zum Sprechen gebracht. Seine vertrauten Züge, seine feste, warme Umarmung und sein Geruch nach Zigarrillorauch, Brandy, Seife und Leder hatten den Knoten gelöst, der ihr den Hals zuschnürte.
    Und als der Damm gebrochen war, hatte sie in einem Anfall von Kummer, Schmerz und Furcht alles erzählt, ihr Gesicht verzerrt von Tränen, die jedoch nicht fließen wollten. Es war, als könnte Weinen die Wahrheit in Stein verschließen und ihr die letzte Hoffnung nehmen. Nur ein Geheimnis durfte sie nicht lüften – das der Existenz von Killer und den Imnada .
    Allen, die sie zu sehr bedrängten, erzählte sie Folgendes: Sie hatte ihr Leben Rogan zu verdanken, der die Gefahr leider zu spät erkannt hatte und gestorben war, als er versucht hatte, sie zu retten. Madame Arana sah sie lange prüfend an, doch Elisabeth hielt sich an ihre Geschichte, und schließlich wurde nicht mehr darüber gesprochen. Kleinere Fragen gingen in dem größeren Wirbel um Máelodors Vernichtung und Brendans Übergang ins Sommerreich unter.
    Mr. Ahern spitzte die Ohren, als wartete er auf seinen Moment. »Strang und Ring. Strang und Ring. Zauberreime, versteht ihr? Das war meine Idee, um den Ring des alten Archie zu verstecken. Ihn sicher aufzubewahren.« Er schob seine Brille in die Stirn, und seine wässrigen, blutunterlaufenen Augen strahlten wie die eines Kindes. »Ich bin froh, dass es geholfen hat. Ich war mir dessen nämlich gar nicht sicher, muss ich zugeben.« Elisabeth blickte verstohlen zu dem älteren Herrn hinüber, der in einem geretteten Lehnstuhl saß und ein zerbrochenes Stück Wedgwood-Porzellan zwischen den Fingern drehte. »Ringe sind was Kniffliges. Ich hatte mal etwas über einen von Magiern hergestellten gelesen. Der arme Teufel, der ihn bekam, streifte ihn über und ging sofort in Flammen auf. Ein anderer verwandelte seinen Träger in einen Baum. Im nächsten Jahr wurde er gefällt und als Feuerholz benutzt, der bedauernswerte Kerl!« Daz zog ein Stück Bindfaden aus der Tasche und legte ihn vor sich auf den Tisch neben einen Kirschkern, einen kleinen grauen Kiesel und eine Spielkarte.
    Madame Arana hielt im Einfädeln einer Nadel inne und legte ihre allgegenwärtige Stickarbeit auf den Schoß. Die Falten in ihrem alten Gesicht hatten sich in letzter Zeit vertieft, der Zug um ihren schmalen Mund war strenger. »Kommen Sie, Mr. Ahern, und lassen Sie uns nach dem Tee sehen, ja?«
    Er strahlte sie an. »Haben Sie welche von diesen kleinen gelben Plätzchen? Ich liebe kleine gelbe Plätzchen.«
    »Ich bin sicher, dass wir welche finden werden«, antwortete Madame Arana, als sie Arm in Arm hinausgingen.
    »Sollen wir auch für Brendan decken? Er müsste bald nach Hause kommen«, hörten sie Mr. Ahern noch zu Helenas Großmutter sagen.
    Jack verzog das Gesicht, während Aidan die Augen schloss und etwas murmelte, von dem Elisabeth sehr bezweifelte, dass es »Der liebe alte Kauz« war.
    »Es ist meine Schuld«, erklärte Jack. »Wenn ich bei Brendan geblieben wäre, statt mit Helena zu gehen …«
    Elisabeth konnte nicht umhin, Brendans Cousin immer wieder heimlich von der Seite zu betrachten, von seinem glänzenden blonden Haar und den blauen Augen bis zu der Eleganz seines modisch geschnittenen Rocks und seinen auf Hochglanz polierten Stiefeln. Wenn sie sich nicht
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