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Verliebt, verlobt - verrueckt

Verliebt, verlobt - verrueckt

Titel: Verliebt, verlobt - verrueckt
Autoren: Amelie Fried , Peter Probst
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Eltern dort gewesen. Der Urlaub war von der Steuer absetzbar, da auf der Insel ein Ärztekongress stattfand. Nur, den besuchte mein Vater, der Arzt, nicht. Allerdings nicht, weil er ein Steuerbetrüger war, sondern Opfer eines aus dem Hotelpool stammenden Virus . Das heißt, er selbst blieb verschont, aber der Hotelarzt war im Urlaub. So musste mein Vater einspringen und vierzehn Tage lang kotzende und diarrhöische Menschen versorgen. Auch meine Brüder und ich gehörten zu seinen Patienten. Das war meine Erinnerung an Ischia. » Ich liebe diese Insel«, sagte ich zu Amelie, » ich bin dabei.«
    Sie hatte bereits gebucht. Die Wohnung war ein Traum. Sie lag im Obergeschoss einer weißen Villa, der Blick auf die Bucht von Lacco Ameno war spektakulär. Nachts zirpten die Grillen, Zypressen und Pinien hüllten uns in ätherische Duftwolken. Einmal luden wir einen Künstler aus Norditalien auf unsere Terrasse ein. Der Mond ging über dem Meer auf, die Lichter des nächsten Hafenstädtchens glitzerten. » Ogni luce é un cornuto«, sagte er. Die Botschaft war eindeutig: Der arme, gerade von seiner Frau verlassene Mann witterte in jedem Haus einen Gehörnten. » Jeder bescheißt jeden, und das nennt man Liebe«, fügte er verbittert hinzu. Wir luden den Künstler nicht noch einmal ein. Er passte nicht zu unserem Glück.
    Amelie stellte sich als beinahe unkomplizierte Reisegefährtin heraus. Nur der Weg zum Strand war ihr zu weit und der auf den Inselvulkan zu steil (zu joggen begann sie erst zehn Jahre später…). Ich war nach wie vor rasend in sie verliebt, konnte mir aber nicht vorstellen, dass eine so schöne, intelligente, erfolgreiche und erotische Frau ihr Leben ausgerechnet mit mir teilen wollte. Vielleicht dienten Amelie diese Ferien ja nur dazu, letzte Zweifel auszuräumen, dachte ich. Vielleicht steht das negative Testergebnis eigentlich schon fest. Diese Befürchtung hemmte mich ein wenig bei der Entfaltung meiner Qualitäten. Wenn die Umstände stimmen, kann ich leidenschaftlich sein, oder sogar geistreich. In diesen Tagen aber wurden meine Gedanken zusehends träge und trübe und meine Gefühle wie von Mehltau überlagert. War das die Hitze ( 33 Grad) oder die Angst vor dem Moment der Wahrheit? Nein, es waren die Legionellen. Sie waren von einer Zisterne zu unserem Warmwasserboiler und von dort aus in meinen Körper gewandert. Seltsamerweise war ihr Ziel nicht, wie bei der Legionärskrankheit üblich, meine Lunge, sondern mein Gehirn. Amelie merkte nicht gleich, dass ich wirrer redete als sonst, und meine Aussprache feuchter wurde. Auch der Muskelkater ohne vorherige körperliche Betätigung irritierte sie kaum. Dass bereits ein Schluck Bier zu völliger Trunkenheit führte, verstörte nur mich. Bald gelang es mir nicht mehr, auf geradem Weg zur Toilette zu gehen, ich musste auf allen vieren krabbeln. Die Legionellen sorgten dafür, dass ich meinen Namen nicht mehr wusste, ein– für alle anderen kaum hörbarer– Hund stundenlang unerträglich laut neben meinem Bett bellte, ich nicht mehr schlucken und nur mit größter Mühe atmen konnte. Amelie, die mich aufopfernd pflegte, überlegte bereits, wie sie meinen Eltern, die sie noch nicht kennengelernt hatte, die Todesnachricht überbringen sollte. Ach, Ischia. Hätte damals nicht ein befreundeter Arzt mit uns Urlaub gemacht, wäre ich wohl dort begraben. Und nicht nur ich.
    Dann wirkten die Tetracycline. Ich erholte mich rasch und geriet in eine Euphorie, wie sie bei Überlebenden wohl häufiger vorkommt. Ich band mir ein Küchentuch um den Kopf und sang eine Arie im Stile Beniamino Giglis. Meine Stimme war zwar noch ein wenig heiser und der Text deutsch, aber meine Empfindungen unglaublich tief. Ich stieg auf die schmale Brüstung unserer Terrasse und balancierte über dem Abgrund. Ich warf mich Amelie zu Füßen und trug sie auf der Schulter durch die Wohnung. Dabei sang ich unaufhörlich weiter. Es war nur eine Zeile in vielen Variationen: » Willst du mich heiraten?«
    Als ich schließlich erschöpft in einen Sessel sank, sagte Amelie: » Wieso nicht?« Zu diesem Zeitpunkt allerdings waren auch bei ihr Legionellen Richtung Gehirn unterwegs. Sie wurde sehr krank, und ich bekam die Chance, als Frischverlobter meine pflegerischen Qualitäten unter Beweis zu stellen. Wir schätzen, dass uns die Krankheit
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