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Frau Hoffmanns Erzählungen

Frau Hoffmanns Erzählungen

Titel: Frau Hoffmanns Erzählungen
Autoren: Schöffling & Co.
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Reisevorbereitungen
    FRAU HOFFMANN : Da stehen wieder Koffer im Flur. Bedeutet das …?
    WOLFRAM SIEBECK : Ja. Wir fahren weg.
    FH: Das ist doch eine Manie. Kaum zu Hause, geht’s wieder los. Wohin denn diesmal?
    WS: Genfer See. Liegt in der Schweiz, viele Berge, viel Regen und viel Käse.
    FH: Und was macht ihr da?
    WS: Das Übliche. Essen gehen und darüber schreiben.
    FH: Wie langweilig.
    WS: Manchmal schon. Aber manchmal auch aufregend.

    FH: Was ist denn so aufregend an einem Stück Käse?
    WS: Daß es nicht immer Käse ist. Manchmal ist es ein Fisch, manchmal eine Taube, manchmal eine Maus. Du liebst die Abwechslung doch mindestens so wie ich.
    FH: Seit wann ißt du denn Mäuse?

    WS: War als Beispiel gedacht. Nenn sie Krebse.
    FH: Und dafür bleibt ihr tagelang weg?
    WS: Reg dich nicht auf! Françoise kommt jeden Tag und macht dir eine Dose auf.
    FH: Immer Kitekat, ist doch ätzend!
    WS: Und die Brekkies? Sind ganz speziell biologisch-dynamisch für Katzen wie dich erfunden worden!
    FH: Biologisch-dynamisch frißt der Hund. Und das tagelang?
    WS: Andere Menschen fahren vier Wochen nach Florida und kümmern sich nicht um ihre zurückgebliebenen Katzen.
    FH: In Florida warst du aber noch nicht, oder?
    WS: Nein.
    FH: Warum nicht? Gibt’s da keine Restaurants?
    WS: Es gibt dort keine Katzen. Die werden alle von Alligatoren gefressen. Deshalb nehmen wir dich auch nicht mit auf Reisen.

    FH: Vorhin hast du gesagt, ihr fahrt in die Schweiz!
    WS: Ja, und danach an die Nordsee, nach London, nach Berlin …
    FH: Hab ich doch gesagt: manisch!
    WS: Das nennt man die mobile Gesellschaft . Ich gehöre nun mal dazu.
    FH: Und warum ich nicht?
    WS: Weil du Angst hast vorm Autofahren. Außerdem bist du keine Gesellschaft.
    FH: Sondern?
    WS: Eine verwöhnte Katze, die auf meinem Schreibtisch schläft, von Hühnerlebern träumt und, wenn sie wach ist, dumme Fragen stellt.
    FH: Bringst du mir wenigstens Hühnerleber mit, wenn du zurückkommst? Du weißt, wie gern ich sie esse.
    WS: Habe ich dir jemals nicht etwas mitgebracht?
    FH: Schon gut. Was ich noch sagen wollte: Berlin würd’ mich interessieren.
    WS: Wieso Berlin?
    FH: Sie sollen dort ganz tolle Würste machen.
    WS: Seit wann frißt du Würste?
    FH: Berliner Würste sind bestimmt etwas Besonderes.
    WS: Ja, sie braten sie mit Curry. Ein Fall für den Tierschutz.

    FH: Ich war noch nie in einer Hauptstadt.
    WS: Dank deinem Schicksal und sei froh.
    FH: Und warum fahrt ihr hin?
    WS: Nun, auch wegen der Currywurst.
    FH: Na also! Und ich darf nicht.
    WS: Wollen mal sehen, was sich machen läßt.

Mit Frau Hoffmann in Berlin
    Sie liegt auf ihrem Kissen im Erker dieses achtstöckigen Hauses in Berlin-Mitte, das Brandenburger Tor ist gleich um die Ecke. Weil es ein modernes Haus ist, hat der Erker keine Ähnlichkeit mit den bunt verglasten Ausbuchtungen alter Häuser. Er ist ein Glaskasten mit Sprinkler und Spot in der Decke, könnte ein Terrarium sein.

    Frau Hoffmann bewegt sich nicht, als ich zu ihr in den Kasten gehe. »Na, wie gefällt es dir in Berlin?« frage ich.
    Â»Mies«, sagt sie. ›Mies‹ ist in der Katzensprache leicht auszusprechen: ein kurzes ›Miau‹, und wir wissen Bescheid.
    Â»Ich gebe zu, daß sich die Stadt von hier oben nicht sonderlich attraktiv präsentiert«, sage ich. »Aber da drüben rechts, der Potsdamer Platz, das ist doch eindrucksvoll, oder nicht?«
    Sie zuckt mit dem Schwanz. »Eindrucksvoll? Ja, bei Nacht, weil man dann den Hindukusch dazwischen nicht sieht.« (Hindukusch: Bei Jauch wäre sie die Millionenkatze.)
    Â»Sie fangen ja gerade erst an, den Platz zu bebauen«, erkläre ich die Sandhaufen.
    Â»Es ist trostlos!«
    Â»Soll es ja auch sein.«
    Â»Warum ist es noch nicht fertig?«
    Â»Nichts ist hier fertig. Revolutionen, Administrationen, Subventionen, nichts.«
    Â»Gibt es Subventionen?«
    Â»Ja, immer. Aber nicht für Katzen.«
    Â»Und warum nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht …«
    Â»Nein, tut ihr nicht«, unterbreche ich sie, bevor sie den ganzen Shakespeare deklamiert. Seit sie einmal wochenlang in einer Bücherkiste schlafen mußte, protzt sie mit ihrer Bildung.

    Â»Für jedes Schwein, das mies gelebt hat und geschlachtet wird, kriegen eure Bauern Subventionen. Auch ich bin durch halb Europa
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