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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas
Autoren: Sarah Ockler
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Freund.«
    »Freund?« Mom setzte ihr Glas ab. »Juju, wovon redest du um Himmels willen?«
    Ich griff mir mein Wasserglas und stürzte seinen Inhalt in einem Zug hinunter. Wofür ich ungefähr zehn Minuten brauchte. Dann stellte ich es zurück auf den Tisch und tat ihre Verwirrung mit einem Handwedeln ab. »Schlechter Freund. Guter Mechaniker. Und da wir einen Mechaniker gesucht haben und keinen Freund, haben wir noch mal Glück gehabt.«
    »Juju …« Ihre Augenbrauen waren gerunzelt, ihr Blick schoss zwischen Papi und mir hin und her. »Vertraust du darauf, dass der Junge gute Arbeit an dem Motorrad leisten wird? No estoy seguro … Ist das mit ihm eine gute Idee?«
    Nein. Unter gar keinen Umständen, weder auf Spanisch noch auf Englisch, ist das mit Emilio Vargas eine gute Idee.
    Aber vom anderen Ende des Tisches leuchtete mir Papis sorglose Miene entgegen, sein Blick war aufgeregt und voller Hoffnung, und ich wusste, wir hatten heute das Richtige getan. Papis Seele war untrennbar mit der Harley verbunden, die seine unverfälschte Essenz bewahrte. Emilio Vargas’ Name brachte mich vollkommen durcheinander, aber wir brauchten ihn. Ohne ihn waren wir mit unserem Latein am Ende. Er war unsere einzige Hoffnung.
    Meine einzige Hoffnung war, dass der Jüngste aus einer Familie notorischer Herzensbrecher keinerlei Erinnerung mehr daran besaß, dass wir einst, in einer Galaxie weit, weit weg, so dicht dran gewesen waren, eine Familie zu werden.
    » Sí «, sagte ich, und Papi strahlte wie tausend Watt. »Es ist eine großartige Idee.«

3
    Den Schuppen trennte höchstens ein schwankender Kartonstapel von einer Folge »Raus aus dem Messie-Chaos«, aber es standen eine alte Werkbank und einige Tische darin, die Papi aufgestellt hatte, als er noch mit Elektrowerkzeugen hantieren durfte. Er und ich hatten den Morgen damit verbracht, Platz zu schaffen, und jetzt stand die Harley inmitten von allem auf ihrem Ständer unter der staubigen blauen Abdeckplane.
    »Das ist euer Mädchen, hm?« Emilio strahlte uns über das Motorrad hinweg an, und ich kam mir völlig nackt vor, so als trüge ich ein noch knapperes Outfit als tags zuvor.
    Weiß er, wer ich bin?
    Nein. Unmöglich. Er hatte mich seit zwei Jahren nicht gesehen, und selbst als wir noch auf dieselbe Schule gegangen waren, hatten sich unsere Wege nicht gekreuzt. Zoe und ich waren unzertrennlich, und später kam dann noch Christina dazu, und er verbrachte seine Highschooltage umringt von einem undurchdringlichen Wall aus Mädchen, die ihn umschwärmten wie eine Masse hin- und herflitzender kleiner Elektronen.
    Und davor? Wir bekamen nie die Gelegenheit, uns bei einem offiziellen Familientreffen kennenzulernen. Dafür sorgte sein Bruder Johnny.
    Ich nahm Haltung an und schüttelte die Wolke aus Nervosität und Schuldgefühlen ab, die mich umhüllte. Wir waren nicht hier, um in Erinnerungen an die verpasste Gelegenheit zu schwelgen, mein Brautjungfernkleid zu tragen, das fliederfarben gewesen war und immer noch irgendwo im Schuppen hing, frisch gewaschen und gebügelt.
    »Wir überlassen dir die Ehre«, sagte ich.
    Emilio schälte die Abdeckung von der Harley, bis sie entblößt vor uns stand. Ihr fehlte der Glanz, und sie war etwas angeschlagen, aber ihre Schönheit leuchtete ungebrochen von all diesen Meilen, all dieser Zeit. Emilio ließ die Hand der Länge nach über sie gleiten, wobei seine federleichte Berührung an ihren Rundungen verweilte. Seine Stirn war eindringlich gerunzelt, als bemühe er sich, mit ihrer Seele in Kontakt zu treten.
    »Haben Motorräder eine Seele?«, fragte ich.
    »Das kannst du aber glauben.« Papi stand an der Werkbank, wo er durch alte Werkzeuge stöberte. Seine Hände waren staubverschmiert, sein Blick hellwach. Der Schuppen schien eine bewusstseinsschärfende Wirkung auf ihn zu haben. Vielleicht lag es am schwachen Geruch nach Öl und Gas, dem vertrauten Klirren, mit dem Werkzeug und Metall aufeinandertrafen. Oder vielleicht gefiel es ihm auch bloß, weit weg von all den Karteikarten zu sein, die Mom auf jeden potenziell gefährlichen Gegenstand im Haus gepappt hatte. Der Schuppen war eine beschriftungsfreie Zone.
    »Sie haben ihren eigenen Zauber«, fuhr Papi fort. »Besonders Valentina – sie ist etwas ganz Besonderes.«
    »Valentina?«
    »So heißt sie. Wir zwei sind schon seit Langem ein Paar, waren an unzähligen Orten. Hab ich dir je von Paraguay erzählt? Wir sind einem Jaguar davongefahren. Das Biest hat uns ich weiß nicht wie
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